Das neue Entspannungsparadies Afrikas trumpft mit orientalisch-exotischer Magie auf und einer Traumstrandkulisse mitten im Indischen Ozean. Das Herz Sansibars schlägt in Stone Town, der Altstadt ihrer gleichnamigen Hauptstadt.
Text: Ulrike Klaas
»Wenn Tansania gegen Sansibar spielt, gewinnt meistens Sansibar«, erklärt Thomas Müller. Erst zweimal hätte sich Sansibar geschlagen geben müssen. Wir stehen vor dem House of Wonders, dem Wahrzeichen Stone Towns, Unesco-Welterbe und Altstadt von Sansibars gleichnamiger Hauptstadt. Der sansibarische Thomas Müller ist drahtig, klein und dunkelhäutig. Und heißt eigentlich Othman.
»Aber ich kicke wie der große Müller«,
sagt er grinsend. Othman ist hiesiger Guide und führt uns Urlauber durch Stone Town.
Das House of Wonders – einst war es ein Haus des Fortschritts. Ein Wunder der Technik. Es war das erste Haus Ostafrikas mit fließendem Wasser, Strom und Aufzug. Das überragende Gebäude fällt noch heute als Erstes ins Auge, wenn man in den Hafen einfährt. Heute steht es für den Zerfall von Stone Town. Die salzige Meeresluft gräbt immer tiefere Furchen in die ehemals weiße Fassade, die nun ergraut ist.
Seit drei Jahren sanierungsbedürftig geschlossen, steht die Verjüngung des einstigen Wunderhauses in den Sternen. Ebenso wie die der eindrucksvoll maroden Altstadt Stone Towns – versteinert in Würde. Kabel schwingen sich von Haus zu Haus wie Lianen im Dschungel. An den Fassaden und Fensterläden haben sich die Jahrhunderte verewigt.
»70 Prozent der Altstadthäuser sind mittlerweile abbruchreif«,
sagt Othman. Dennoch büßt Stone Town kein bisschen vom Glanz der alten Tage ein. Am Morgen herrscht gebetsartige Ruhe in den noch kühlen Gassen. Am Nachmittag heizen sie sich auf – sowohl von der Temperatur wie von der Atmosphäre.
Stone Town – die Seele von Sansibar
Sansibar ist trubelig und orientalisch und erinnert ein wenig an Marrakesch – hinzu kommt aber der marode Charme wie in Kuba. Und dazu gesellt sich die Traumkulisse der Seychellen. Das Sansibar-Archipel besteht aus den beiden Inseln Sansibar (die Einheimischen nennen sie Unguja, um sie von der Hauptstadt zu unterscheiden) und Pemba sowie diversen kleinen, zumeist unbesiedelten Inselchen, die sich um die beiden großen scharen wie Planeten um die Sonne. Sansibar-Stadt mit seinen 200.000 Einwohnern ist dabei der Dreh- und Angelpunkt. Dort kommen die Urlauber an. Dort fahren sie zu Schnorchel- und Tauchausflügen rund um die kleinen vorgelagerten Inseln. Stone Town, die Altstadt, ist die Seele von Sansibar-Stadt.
Es ist ein wundersames Städtchen, das Thomas Müller alias Othman uns den Tag über zeigt. Angefangen vom morgendlichen wuseligen Markt, der nichts für zarte Mägen und Nerven ist, denn hier rollen noch Köpfe – Hühner werden gerupft und geköpft, Kuhköpfe auf einen Anhänger verladen. Es wird gezetert und gefeilscht, was Fleisch, Obst und Gemüse hergeben.
Manches davon ist so exotisch und uns unbekannt – wie eine knallrote Frucht, die den Eindruck erweckt, als sei sie elektrisch aufgeladen, denn die roten Haare stehen in alle Richtungen ab. Rambutan nennt Othman sie und erläutert, dass sie wie eine Litschi schmecke.
»Wir haben beispielsweise allein zwölf verschiedene Mango-Sorten auf Sansibar«,
erklärt er weiter. Die rote mit drei Kernen gäbe es nur hier. »Tja, wir leben hier eben im Paradies!«, sagt er lachend und zieht weiter.
Der Geburtsort einer Musik- Legende
Wir schlendern vorbei am ehemaligen Wohnhaus, heute ein Hotel, von Queen-Sänger Freddie Mercury, der 1946 auf Sansibar das Licht der Welt erblickte, als Jugendlicher die Insel verließ und nie wiederkehren sollte. Wir verirren uns in den labyrinthartigen Gassen Stone Towns mit seinen Sultanspalästen und rund 2.000 weiß gekalkten Steinhäusern.
Bestaunen die imposanten Türen mit ihren aufwendigen Gravuren, die mit Messingbeschlägen verstärkt sind, um einst angreifende Elefanten abzuwehren.
»Je größer und reicher verziert, desto wichtiger war der Eigentümer«,
erklärt Othman. Schließlich landen wir bei Doreen Mashika. Die sympathische sansibarische Designerin erobert mit ihren bunten und edlen Kreationen den europäischen Fashion-Markt. Ihre Boutique mitten im Altstadtgewimmel wirkt neben den ansonsten eher typischen Souvenirgeschäften wie eine andere Welt. Ein paar Häuser weiter treffen wir auf eine weitere Sansibari, die das Inselreich nach Europa gebracht hat: Prinzessin Salme alias Emily Ruete. Der Tochter des Sultans von Oman ist ein kleines, aber in seiner Einfachheit sehr rührendes Museum gewidmet. Eigenwillig und selbstbewusst war sie, heiratete einen Hamburger Reeder und zog mit ihm nach Deutschland, wo sie 1924 in Jena starb.
Koloniale Erbe ist in den Gesichtern sichtbar
Sansibar gehörte zum Herrschaftsbereich des Sultans von Oman. Davor hatten die Portugiesen Sansibar 200 Jahre lang besetzt, wurden von den Omanis vertrieben und verließen die ostafrikanische Küste, als seien sie nie da gewesen. Sansibar war seit jeher von arabischen, persischen und indonesischen Zuwanderern besiedelt. Doch die tiefsten Spuren hinterließen die Omanis: Ihre Religion und Sitten, ihre Kleidung und ihre Sprache sind heute noch zu hören, zu sehen und zu fühlen. Die Frauen, die uns in den Gassen begegnen, tragen farbenfrohe Schleier, die Männer Khanzu-Kaftane. Das koloniale Erbe ist in den Gesichtern der Bewohner sichtbar.
Der Sultan von Oman erbaute das Herzstück von Sansibar – Stone Town. Das ist nun rund 300 Jahre her. Heute plagen sich die Bewohner der Altstadt mit mangelnder Stromversorgung herum. Für Tage, Wochen oder Monate fällt hier schon einmal der Strom aus.
»Wasser ist das ewige Sorgenkind«,
meint Othman. Täglich entscheide die Regierung Pi mal Daumen, welches Viertel heute wie viel Wasser bekommt. Und erst die undichten Dächer in der Regenzeit.
Dann siedeln die Bewohner in die Plattenbauten jenseits der Creek Road um, die die DDR aus lauter Dankbarkeit für die Anerkennung ihres sozialistischen Staats in den 1960er-Jahren hier gebaut hat. Die Unesco hat die Gelder mittlerweile gestoppt, denn sie fließen in die korrupte Staatskasse, die ebensolche undichten Löcher aufweist wie die Dächer der Häuser Stone Towns.
Das eBay Ostfarikas
Die Omanis waren es auch, die aus Sansibar eine Art eBay Ostafrikas machten. Gehandelt wurde mit Elfenbein, Nashorn, später mit Gewürzen, vor allem Nelken – und mit Sklaven. Im 19. Jahrhundert war Sansibar ein Sklavenumschlagsplatz von interkontinentaler Bedeutung. Zur Blütezeit des Sklavenhandels wurden jährlich rund 30.000 afrikanische Sklaven über Sansibar exportiert. Ebenso viele schufteten auf den Nelkenplantagen der Insel.
Der Tag neigt sich dem Ende zu. Wir stehen vor der anglikanischen Kirche, erbaut auf dem ehemaligen Sklavenmarkt in Gedenken an die Opfer. Die zwölf Säulen der Apostel stehen Kopf. »Hakuna Matata, es hält ja«, sagt Othman lachend. Der ehemalige Sklavenkerker direkt neben der Kirche beschwört die alte Zeit spürbar herauf, sodass wir das Kellerloch schnell wieder verlassen. Die Glocken beginnen Schlag 18 Uhr zu läuten und scheinen mit den Spatzen wettzueifern, die nun zu Tausenden in den Sternfruchtbäumen sitzen, die die Straßen säumen, und die Dämmerung in einer Lautstärke begrüßen, die jeder Diskobeschallung Konkurrenz macht.
Lebendig bis in den letzten Winkel
Sansibar ist ein wundersames Konstrukt mit vielen Talenten. Ein Ort, wo allein in Stone Town 60 Moscheen, vier Hindu-Tempel, drei christliche Gotteshäuser, ein zoroastrischer Feuertempel und einen buddhistischer Tempel zu finden sind. Ein Inselreich, wo Nelken wachsen wie Unkraut. Sansibar ist vieles, aber vor allem eines: lebendig bis in den letzten Winkel der morbiden Gebäude Stone Towns. Eine Insel zwischen Tradition und Tourismus. Ein Urlaubsparadies, wie es im Buche steht.
Ein wahr gewordener Traum ist das Park Hyatt direkt neben der Altstadt – wunderschön gelegen auf einer Landzunge mit dem schönsten Strand der Stadt vor den Schlafzimmern. Das Fünf-Sterne-Hotel vereint ein Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert mit einer modernen Residenz. Abends trifft sich die Stadtjugend zum Kicken am Strand vor dem Resort.
Im Anantara-Spa klingen die Muezzin-Gesänge und gedämpfte Geräusche der Stadt herüber. Den ganzen Tag segeln die Fischer mit ihren Booten und den mächtigen Segeln um die Landzunge und geben vor allem bei glutrotem Sonnenuntergang ein so malerisches Bild ab, dass es fast inszeniert scheint. Das Park Hyatt ist ein luxuriöser Ort der Entspannung, dennoch ist das Leben der arabisch-exotischen Stadt stets zum Greifen nahe.
Überraschungspaket Sansibar
Später am Abend ist es an der Zeit, zumindest für einen Drink eine der vielen Rooftop-Bars zu besuchen. Eine warme Brise streichelt die Haut, die Lichter der Stadt flimmern wie Kerzen unter uns, über uns ist ein Tuch gespannt, das im Wind flattert wie ein Segel, und eine Sängerin singt unterstützt von Streichmusikern Taarab-Lieder, eine Mischung aus afrikanischen, arabischen und indischen Musikelementen, die auf Sansibar entwickelt wurde. Melancholisch, exotisch-orientalisch und mit Gänsehautgarantie.
Sansibar überrascht immer wieder aufs Neue, erfüllt aber vor allem das Klischee von 1.001 Nacht, dass es fast schon unwirklich scheint. Wie Guide Othman alias Thomas Müller sagen würde: Hakuna Matata – alles in bester Ordnung.
Anreise. Oman Air verbindet Frankfur a. M. via Maskat täglich mit Sansibar. Ab München sechs Mal wöchentlich via Maskat nach Sansibar-Stadt. Für die Stop-over-Wartezeit empfiehlt sich der Besuch der Majan Lounge von Oman Air, wo man entspannt die Zeit bis zum Weiterflug überbrückt. www.omanair.com
Unterkunft. Luxushotel mit exotisch-orientalischem Flair: Park Hyatt Zanzibar. P.O. Box 4255, Shangani Street, Stone Town, Zanzibar, Tanzania, Tel: +255 24 550 1234, http://zanzibar.park.hyatt.com/en/hotel/home.html
Sie möchten mehr hilfreiche Tipps für einen Urlaub auf Sansibar? Unseren Sansibar-Reise-Guide mit vielenerlebenswerten Ausflugstipps finden Sie hier.