Sardinien ist mehr als nur eine italienische Insel – es ist ein kleiner Kontinent. 202 Kilometer vom italienischen Festland entfernt. Die Sehenswürdigkeiten der Mittelmeerinsel: karibische Strände, rosa Flamingos und viele Promis. Nur eines gibt es nicht – Massentourismus. Text: Karolina Golab

Weit weg vom Massentourismus

Von Sardinien redet man nicht so, wie man von Kreta, Mallorca oder Ibiza spricht. Der Insel haftet eine glamouröse Aura an, die eine unausgesprochene Mitgliedschaft im Club der Elite impliziert. Wer nach Sardinien reist, ist in der Regel stolzer Besitzer einer eigenen Villa an der Costa Smeralda, Mitglied im Yacht-Club in Porto oder landet im eigenen Jet am Flughafen von Olbia, im Norden der Insel. Trifft keine dieser Aussagen zu, ist ein typischer Sardinienurlauber ein Individualtourist mit mehr Interesse an der Authentizität seines Reiseziels als Kapital auf dem Bankkonto.

Straße in Cagliari, Sardinien

Roman Kraft

Denn eins bleibt unumstritten: Authentisch ist die Insel geblieben. Aus einem einfachen Grund: Massentourismus hat es nie gegeben. Wenn hier etwas in Schwärmen vorkommt, dann sind es die rosa Flamingos, die vor einigen Jahren die Mittelmeerinsel als ihr Winterdomizil auserkoren haben. Sie haben sich von saisonalen Besuchern der Lagunenseen bei Cagliari zu Dauersarden entwickelt und harmonieren in der Farbe mit den auf Sardinien so üppig wachsenden Oleanderbüschen. Außerdem bieten sie eine optische Abwechslung zu den sonst noch in Herden vorkommenden Schafen, die sich zwischen Thymian und Rosmarin an zum Teil unzugänglichen zerklüfteten Berghängen tummeln.

Pinke Flamingos auf Sardinien

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Von Armut zum Luxus

Bis in die 50er-Jahre war Sardinien – ähnlich wie Nachbarinsel Korsika – überwiegend von Bauern und Hirten bevölkert. Auch wenn Sardinien 202 Kilometer westlich vom italienischen Festland liegt, wurde auch sie mit dem Begriff »Mezzogiorno« gebrandmarkt – einem Begriff, der für die südlichen Regionen Italiens verwendet wurde als Synonym für Armut und wirtschaftliche Rückständigkeit.

Dann aber kam Karim Aga Khan, der reiche Fürst und Oberhaupt der Ismailiten, und blieb. Grund dafür: die karibisch anmutenden Strände, die zerklüfteten Felsküsten und die sich romantisch präsentierende Natürlichkeit der Insel. Für »kleine Mark« kaufte er 30 Quadratkilometer Land mit 55 Küstenkilometern im Nordosten der Insel und taufte seine Besitztümer um. Aus »Monti di Mola« wurde die schillernd klingende »Costa Smeralda«. Damit lenkte er die Zukunft dieses Küstenabschnitts und indirekt auch die der immerhin zweitgrößten Insel im Mittelmeer.

Boote liegen in Bucht auf Sardinien. Das türkisfarbene Wasser ist sicherlich eine der größten Sehenswürdigkeiten der Mittelmeerinsel

Ivan Ragozin

Denn mit ihm kam die Kapitalelite. Damals waren es Gina Lollobrigida oder Roger Moore. Heute gehören zum Club der Erlesenen Giorgio Armani, Silvio Berlusconi, Francesco Totti und auch andere Prominenz, deren Nachname nicht auf ein »i« endet. Die Insel hat ihren Ruf als Reiseziel superieur schon inne gehabt, bevor eine Touristenwelle über Sardinien schwappen und sie ruinieren konnte.

Schafsherde auf Sizilien

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Touristen sind willkommen

Im Grunde hat sich seit den 50er-Jahren bis heute wenig verändert. Die Bauern und Hirten gibt es immer noch. Sie gehören sogar zum Aushängeschild der Insel und mit ihnen die lokalen Produkte. Die Schafsherden grasen weiter, schließlich ist das Endprodukt ihrer Milch ein Exportschlager, nämlich der Pecorino.

Anders als die rauen Korsen, haben die Sarden – es sind etwa 1,7 Millionen  – offenbar nichts dagegen, ihre Insel mit den Touristen zu teilen. Viele Einheimische setzen sich sogar stark für den »Ecoturismo« ein, vermieten Ferienzimmer in ihren steinernen Bauernhäusern und pflegen die Traditionen, etwa indem sie die Olivenernte als touristisches Happening anbieten, und lassen die Urlauber die Insel auf den Rücken der Esel erkunden.

Olivenbäume aus der Drohnenansicht auf Sardinien

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Auf dem Esel, einer Harley oder einem Segelboot

Die bequemeren Gäste setzen sich statt auf einen Esel auf eine Harley Davidson und cruisen entlang der sich windenden Küstenstraßen einmal um Sardinien. Die beliebtere Variante: Das Umsegeln der Insel. Bei 32 Knoten braucht man dafür gerade mal zwei Tage und jede Menge Geld für die teuren Anlegeplätze.

Segelboot vor der Küste von Sardinien

Matteo Pilleri

Wer aber doch lieber auf Promi-Tuchfühlung geht, der ist gut im Forte Village Resort, im Süden der Insel, aufgehoben. Hier kann man Ex-Spitzensportler wie Oliver Kahn oder Michael Stich nicht nur »spotten«, sondern mit ihnen gleich eine Tennispartie oder Fußball spielen. Oder man bleibt an der Costa Smeralda und begibt sich schnurstracks in Flavio Briatores Billionaire Club in Porto Cervo. Dort zahlt man an der Kasse einen (niedrigen) dreistelligen Euro-Betrag, um dann auf tanzende Models, halb bekleidete  Modedesigner oder braun gebrannte Profifußballer zu treffen. Spätestens dann ist man definitiv Mitglied im Club der Sardinien-Elite.