Weinberge wie aus dem Bilderbuch, scheinbar endlose Wälder, pittoreske Felslandschaften – das Ahrtal ist ein idyllischer Landstrich im Westen Deutschlands. Mittendrin liegt ein geheimnisumwobener Ort: der Regierungsbunker.

Wer an das Ahrtal denkt, dem schweben Bilder von Steilhängen, Weinbergen und Flussauen durch den Kopf. Viele Tagestouristen aus Städten wie Köln oder Bonn wissen das zu schätzen – an sonnigen Wochenendtagen sieht man sie in Scharen durch die liebliche Landschaft wandern.

Ahrtal-Landschaft

Julia Sergeeva/Shutterstock.com

Was aber viele nicht wissen: Hier, in den Weinbergen zwischen den Orten Ahrweiler und Dernau, liegt tief unter der Erde ein Ort, der es in sich hat: der Regierungsbunker.

In einer Tunnelanlage von rund 20 Kilometer Länge entstand unter den Weinhängen einst das geheimste Bauwerk der Bundesrepublik Deutschland. Sein offizieller Name lautete »Ausweichsitz der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland in Krise und Krieg«. Und das war er auch sehr lange Zeit. Die Tunnel wurden in den 1960er-Jahren zum Regierungsbunker aus- und umgebaut. 110 Meter unter Wald und Weinbergen entstand eine gigantische Stadt mit 83.000 Quadratmeter Nutzfläche.

1950: Als alles begann

Bereits ab 1950 beschäftigte sich das Bundesinnenministerium der Frage, wohin sich die Regierung im Kriegsfall zurückziehen könnte, um handlungsfähig zu bleiben. Nach dem Beitritt Deutschlands zur Nato am 6. Mai 1955, der eine Bereitstellung eines Ausweichsitzes verpflichtend machte, wurden die Planungen konkreter. Die Blicke richteten sich in das nicht weit von Bonn entfernte Ahrtal. Dort befand sich eine Tunnelanlage mit zwei größeren, ausbaufähigen Eisenbahntunneln, die für den Ausbau zum Regierungsbunker geeignet erschienen.

Plattform Regierungsbunker

Sascha Kelschenbach

Am 19. Januar 1962 schließlich gab Konrad Adenauer den Startschuss für den Ausbau der beiden längsten Tunnelanlagen unter dem Kuxberg und dem Trotzenberg. Die Anlage sollte sich von Ahrweiler über Marienthal bis nach Dernau ziehen. Unter dem Decknamen »Anlagen des THW« entstand hier, rund 25 Kilometer von der damaligen Bundeshauptstadt Bonn entfernt, eine 19 Kilometer große unterirdische Stadt. Intern trug sie den Namen »Rosengarten«.

20.000 Arbeiter schufteten am Regierungsbunker

Unter strengen Geheimhaltungsvorschriften waren insgesamt rund 20.000 Arbeiter beteiligt. Die gigantische Stadt im Berg, in der 3.000 Menschen einen Zeitraum von 30 Tagen überstehen sollten, bestand aus fünf autarken Bauteilen. Jeder davon war ausgestattet mit einer eigenen Energie-, Wasser-, Luft-, und Lebensmittelversorgung. Der Regierungsbunker verfügte über 936 Schlafräume sowie 897 Büros. Nicht nur das: Es gab Technikräume, einen Friseursalon, ein Hör- und Fernsehstudio des WDR und vier Krankenstationen. Lediglich der Bundeskanzler und der Bundespräsident sowie weitere hochrangige Politiker hätten über eigene Räumlichkeiten verfügt.

Ausstellungsstück: Präsidentenmöbel

Sascha Kelschenbach

Alle anderen Bunkerbewohner wären in Mehrbett-Zimmern untergebracht worden. 140 Mitarbeiter der »Dienststelle Marienthal« hielten den Bunker betriebsbereit, weitere 40 waren in der Bunkerverwaltung im Verwaltungsgebäude in Marienthal tätig.

Erst 1997, acht Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, entschied das Bundeskabinett, die Anlage aufzugeben. Es wurde versucht, eine Nachnutzung für die riesige Anlage zu finden. Große Verkaufsanzeigen in allen deutschen Zeitungen folgten. Neben einer Champignonzuchtanlage (!) gingen auch Konzept für ein Bunkerwunderland oder eine Einlagerung von Zeitkapseln für die Nachwelt ein. Allerdings sollte keiner der Interessenten einen Zuschlag für den Kauf oder Vermietung der Bunkeranlage erhalten. Somit war der Rückbau beschlossene Sache. In den Jahren von 2001-2006 erfolgte die Entkernung der Anlage bis auf die Betonwände. Das neben der Berliner Mauer größte Bauwerk aus der Zeit des Kalten Krieges wurde komplett ausradiert.

Seit 2008 ist der Regierungsbunker ein Museum

Ein Teilstück aber wurde im Originalzustand erhalten. Es gibt seit 2008 als Museum die einst streng geheime Geschichte preis. Der Eingang liegt versteckt zwischen Weinbergen und Wald oberhalb von Ahrweiler. Auf 203 Metern können sich Gäste heute hautnah in die Zeit des Kalten Krieges zurückversetzen.

Galerie im Regierungsbunker

Sascha Kelschenbach

Schon nach wenigen Metern erhält man beeindruckende Einblicke in die Zeit des Kalten Krieges, die hier physisch und psychisch spürbar ist. Zeitzeugen berichten als Gästeführer über ihre Erfahrungen.

Träger der Dokumentationsstätte ist der Heimatverein »Alt-Ahrweiler«. Dessen Mitarbeiter begleiten auf ihrer rund neunzigminütigen Bunker-Führung die Besucher durch die unterirdische Welt. Für Einzelbesucher öffnet die Dokumentationsstätte Regierungsbunker voraussichtlich ab Ostern wieder ihre Türen. Sie können die Anlage mittwochs, samstags, sonntags und an gesetzlichen Feiertagen zwischen 9:30 und 16:30 Uhr besuchen. Eine telefonische Anmeldung ist Pflicht. Der Eintrittspreis für Erwachsene beträgt 12 Euro.

Splitterschutzwand am Dokumentationszentrum Regierungsbunker

Sascha Kelschenbach

Gruppen (max. 15 Personen) können sich bereits für Termine seit dem 15. März 2021 anmelden. Details zu den Reservierungen und Öffnungen gibt es auf der Website des Regierungsbunkers.

Kontakt: Dokumentationsstätte Regierungsbunker, Am Silberberg, 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler
Tel. 02641/9117053, E-Mail: regierungsbunker@alt-ahrweiler.de.