Ein Land, kleiner als Hamburg, in dem es offiziell vier Amtssprachen gibt, kann nur eins sein: spannend. Redakteurin Linda Ruckes hat sich der farbenfrohen Seite des Stadtstaates gewidmet. Und wir können es gleich vorwegnehmen: Singapur ist ein Kessel Buntes.

Während die Sonne gerade romantisch den Horizont von Singapur dunkelrot verfärbt, nippe ich an meinem himbeerroten Cocktail. Vor mir liegt der wohl berühmteste Infinity-Pool der Welt. Er ist rund 150 Meter lang und befindet sich auf dem Dach des Marina Bay Sands, der Hotelikone der Stadt. Hier hat jeder Schwimmer einen ungetrübten Blick auf die Millionenstadt, die dem Marina Bay Sands zu Füßen liegt. Heutzutage haben weltberühmte Orte den Makel, dass sich ständig das hippe junge Volk genau dort fotografieren will. Und zwar so unnatürlich wie möglich. Mein Blick bleibt an der jungen Dame haften, die in ihrem todschicken Designer-Badeanzug langsam durch das Wasser gleitet.

Infinitypool im Marina Bay Sands in Singapur

Will Truettner

Leckerer Cocktail im Cé La Vi Club Lounge

Schwimmen? Ach was – das würde doch das perfekte Make-up zerstören. Ihr junger Begleiter, ich nehme an, ihr Freund, steht in meinem Sichtfeld und hantiert mit der Kamera auf der Suche nach dem idealen Winkel.
»Das ist ein typisches Schauspiel hier oben«, erzählt mir der nette, junge Kellner.

»Glücklicherweise dürfen nur Hotelgäste in den Pool, sonst wäre der Instagram-Andrang noch größer. Auf den Fotos muss es ja immer so aussehen, als wäre man allein im beliebtesten Infinity-Pool der Welt.«

Ach so, denke ich enttäuscht. Selbst wenn ich wollte, berechtigt mich der Konsum meines Cocktails in der Cé La Vi Club Lounge keineswegs zu einem Sprung ins begehrte kühle Nass.

Macht nichts. Zugegeben, bei einem Besuch der Stadt sollte man eigentlich den berühmten Singapore Sling probieren. Der Cocktail gehört eigentlich in das altehrwürdige Raffles Hotel, wo er um 1915 entstanden sein soll. Doch ich habe Pech. Die Long Bar des Hotels wird gerade renoviert. Und hier steht er nicht auf der Getränkekarte. Schade, doch auf 191 Metern Höhe habe ich einen sensationellen Ausblick auf das abendliche Treiben der Stadt. Glitzernd und glamourös.

Skyline von Singapur bei Nacht

Linda Ruckes

Hinter mir das Marina Bay Sands, vor mir die Supertrees

Neuer Tag, grünes Glück. Noch während ich meinen Arm gen Himmel ausstrecke und verzweifelt die perfekte Selfie-Pose suche, spüre ich ein leichtes Tippen an meiner linken Schulter. Als hätte sie mir meinen Wunsch von den Lippen abgelesen, fragt mich eine kleine, freundlich lächelnde Asiatin, ob sie ein Foto von mir machen solle. Unbedingt, denn kaum ein Ort scheint mir fotogener als dieser hier. In meinem Rücken spüre ich das gigantische Marina Bay Sands, während sich um mich herum eine riesige Parkanlage ausbreitet. Die silbergraue Skyline der Stadt verwandelt sich vor meinen Augen zu einem knallgrünen Großstadtdschungel.

Gardens by the Bay in Singapur

Annie Spratt

Riesig ist sie, die 101 Hektar große Parkanlage. Vor mir, neben mir, hinter mir – überall schießen bunte Riesenbäume in die Höhe. 18 sogenannte Supertrees verteilen sich über die Gärten. Bis zu 50 Meter ragen die pflanzenbewachsenen Stahlgerüste in die Luft, die mittels Fotovoltaik Elektrizität gewinnen können. Meine Augen bleiben an den organisch geformten Gewächshäusern haften. Ein Blick in die Broschüre verrät mir, dass das höhere Gebäude der Cloud Forest und das flachere der Flower Dome ist. Der Weg zu den Gewächshäusern ist anstrengend, die Temperaturen erdrückend.

»In den Gewächshäusern werden die Temperaturen gesenkt. Das ist anders als zum Beispiel in Europa, wo die Temperaturen stets angehoben werden, damit die Pflanzen ein fröhliches Leben führen«, erklärt mir ein Mitarbeiter, als er mich völlig verschwitzt den Cloud Forest betreten sieht.

Ich fühle mich wie in einem tropischen Regenwald

Endlich etwas Abkühlung. Kein Wunder, dass die Pflanzen bei dem tropisch-feuchten Klima, das hier übrigens das ganze Jahr herrscht, jämmerlich eingehen würden. Es tropft auf meine Stirn. Dieses Mal ist es aber nicht mein Schweiß, sondern der prächtige Wasserfall, der sich unmittelbar vor mir 35 Meter in die Tiefe stürzt. Während ich vor wenigen Minuten noch die mächtigen Hochhäuser beäugt habe, fühle ich mich jetzt in einen tropischen Regenwald versetzt.

Wasserfall im Flower Dome in Singapur

Menglong Bao

Das Vorhaben von Premierminister Lee Hsien Loong ist geglückt: Singapur hat sich von einer Gartenstadt in eine Stadt im Garten verwandelt. Sir Thomas Stamford Raffles sei Dank. Der britische Handelsagent erkannte, wie bedeutsam der kleine Stadtstaat, der vor knapp 200 Jahren nur ein kleines Fischerdörfchen gewesen ist, für die globale Wirtschaft sein könnte. Die geografische Lage Singapurs, an der Straße von Malakka, zwischen Asien und Europa, wird sich zu einer strategischen Goldgrube entwickeln. Und Sir Raffles behielt recht.

Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich der Inselstaat von einem Schwellenland zu einem Industriestaat entwickelt. Wirtschaftliche Erfolge brachten ein rasantes Wachstum. In Städten vielleicht kein Problem, auf einer Insel allerdings schon. Die Lösung: Landaufschüttung, und zwar mit reichlich Sand, sehr viel Sand. So kommt es, dass sich die Umrisse des Zwergstaates bis heute ständig verändern – und man das Singapur von vor 20 Jahren nicht mehr wiedererkennt. Und nicht nur die Landesgrenzen haben sich im Laufe der Zeit ausgedehnt, auch die Bevölkerung wurde bunter.

Verschiedene Currys in indischem restaurant in Singapur

Linda Ruckes

Im Banana Leaf ist die Hölle los

Von meiner rechten Hand tropfen die Überreste meines vegetarischen Currys, das ich innerhalb weniger Minuten vernascht habe, als mir Manika, so steht es zumindest auf ihrem Namensschild, einen weiteren undefinierbaren Klecks auf mein Bananenblatt serviert. Die safran-gelbe Soße vermischt sich mit dem übrig gebliebenen Reis. Eigentlich bin ich längst satt. Doch sattgesehen habe ich mich noch lange nicht. Im Banana Leaf ist die Hölle los. Die Kellner laufen mit riesigen Schüsseln durch das Restaurant und klatschen den Gästen undefinierbare Soßen auf ihre Teller, äh, Bananenblätter.

Die currygelben Uniformen haben erste Spritzer bekommen. Kein Wunder, bei der Menschenmasse, die sich hier zum Mittagessen versammelt hat. Ich hocke an einem kleinen Tisch in der Mitte des Lokals, meine Hände voller Reis und meine Nase erfüllt von exotischen Gerüchen aller Art. Mich beeindruckt das rege Treiben um mich herum. Eine Freundin aus Deutschland hatte mir empfohlen, hierherzukommen. »Am besten zwischen zwölf und zwei Uhr mittags«, hatte sie gesagt, »dann spiegelt das Restaurant Singapur wider«.

Was genau sie damit meint, konnte ich mir nicht vorstellen. Doch jetzt, wo ich den Chinesen neben dem Afrikaner, die europäische Touristin neben der Malaysierin sitzen und speisen sehe, während die indischen Kellner eifrig durch das Restaurant wuseln, weiß ich, was sie meinte. Mit vollem Bauch verlasse ich das Banana Leaf. Frauen, in ihren kunterbunten Saris, und mürrisch dreinblickende Männer, die an ihren Ständen die tollsten Sachen verkaufen: Gemüse, Obst, Blumen, bunt glitzernde Stoffe und Taschen, indische Figuren prägen das Stadtbild hier. Nicht nur die sonnengelben Mangos und die orangefarbenen Blumenkränze lächeln mich an, sondern auch die pastellgelben Hauswände, die allesamt mit bunten Girlanden verziert sind. Bin ich hier noch in Singapur, oder habe ich längst indischen Boden betreten?

Bunte Girlanden in den Straßen in Little India in Singapur

Linda Ruckes

Teh Tarik ist Standard auf jeder Getränkekarte – muss ich probieren!

Hättest du dir doch besser einen Kaffee bestellt, flüstert mir mein inneres Ich zu, als ich mir den ersten Schluck der espressobraunen Flüssigkeit gönne, die sie hier in Singapur Teh Tarik nennen. Und wie der Name schon vermuten lässt, hat das Getränk weniger mit Kaffee zu tun als mit Tee. Teh Tarik ist hier Standard auf jeder Getränkekarte, und seitdem ich hier urlaube, macht mich dieses Getränk, bestehend aus schwarzem Tee und gesüßter Kondensmilch, neugierig. Ich muss es einfach probieren.

Nahe der Arab Street lächelt mich eine kleine dunkle Bar an. Leider. Der Verkäufer ist nicht gerade die Freundlichkeit in Person und spätestens als ich ihm wortlos erstaunt dabei zusehe, wie er zwei gehäufte Teelöffel Zucker in meinen Tee rührt, ahne ich, dass dieser Teh Tarik nicht zu meinem neuen Lieblingsgetränk avancieren wird.

Fahrrad lehnt an bunter Hauswand in Singapur

Autumn Studio

Auch die weitere Zubereitungsprozedur macht mich stutzig und erinnert mich an meine Kindheit, in der meine Oma immer den Tee von einem Becher in den nächsten kippte, um ihn abzukühlen, nur dass hier in der Arab Street die Teemischung kleine Bläschen bildet. Serviert wird mir der Tee to go. Und zwar nicht wie international üblich in einem Pappbecher, sondern in einer, und das ist für die Umwelt in der Tat noch schädlicher, Plastiktüte, die sich oben mit zwei Schlaufen zuziehen lässt.

Der erste Schluck schmeckt mehr als gewöhnungsbedürftig. Der Reflex, die Tüte so schnell wie möglich loszuwerden, ist für mich unvermeidbar, das Vorhaben, diesen Tee noch einmal in einem anderen Etablissement zu probieren, ebenfalls. Auf der Suche nach einem Mülleimer ertönt arabischer Gesang, der mich kurz überrascht. Der Muezzin ruft zum Gebet. Ja, auch das ist Singapur.

Redakteurin Linda probiert Teh Tarik in Singapur

Linda Ruckes

Besuch der Sultan-Moschee, sie ist das Herzstück von Kampong Glam

Keine 60 Minuten vorher glaubte ich, im tiefsten Indien zu sein. Aber jetzt scheine ich im Orient angekommen zu sein. Die kurkumafarbenen Saris wurden gegen purpurfarbene Kopftücher getauscht, statt Curry zieht mir nun der Duft von Schawarma und Falafel in die Nase. Violett gemusterte Fliesen schmücken die Wände der Restaurants, arabische Lampen lassen die Räume in einem warmen Lila strahlen. Eine kleine Weltreise, bei der ich mich noch ein wenig gedanklich sortieren muss, während ich durch die Straßen spaziere.

Ja, und plötzlich stehe ich in einem Traum aus 1001 Nacht. Unmittelbar vor meinen Augen thront eine Moschee, wie ich sie umgeben von modernen Hochhäusern niemals erwartet hätte. Die Sultan-Moschee ist das pulsierende Herzstück von Kampong Glam, wo vor allem der malaiische Einfluss stark sichtbar ist. Zehn Meter weiter entdecke ich etwas Ungewöhnliches: Das Eingangsschild des Malay Heritage Centres lächelt mir in vier verschiedenen Sprachen entgegen. Ich blicke nach rechts. Tatsächlich, auch die Straßenschilder hier sind viersprachig, denn die offiziellen Amtssprachen sind in Singapur Chinesisch, Englisch, Malaiisch und Tamil. Sie alle begleiten mich auf meinem Spaziergang durch das malaiisch-arabische Viertel der Stadt.

Sultan Moschee in Singapur von außen

Linda Ruckes

Äußerst fotogen: die Haji Lane

Der Duft von Kaffee zieht mir in die Nase. Noch immer habe ich den Geschmack des Tees im Mund. Intuitiv folge ich dem Kaffeegeruch. Den Stadtplan habe ich längst in meiner Tasche verstaut. Viel zu groß ist der Drang, jede einzelne dieser kleinen Straßen zu erkunden. Ich biege links in eine kleine Gasse ab. Kann mich mal jemand kneifen? Direkt vor meiner Nase entdecke ich mein Traumhaus: ein wunderschöner Altbau, dessen verschnörkelter Balkon sich ganz wunderbar an die mintfarbene Hausfassade schmiegt. Das Haus daneben ist mindestens genauso schön, nur eben limettengrün.

Gelbe Tasse Kaffee in Café

Hannah Wei

Auch das nächste Haus ist ein Traum, dieses Mal aus Zartrosa. Das muss sie sein, die Haji Lane. Die kleine, hippe Gasse, von der mir alle erzählt haben. Den Kaffee längst vergessen, tauche ich in das farbenfrohe Spektakel vor meinen Augen ein. Winzige Boutiquen verkaufen selbst gemachten Schmuck, angesagte Restaurants locken mit internationaler Küche, und putzige Cafés servieren Cupcakes & Co.: Hier, in der Haji Lane, habe ich den Ort gefunden, an dem sich alle Farben vereinen. Auf einmal sind es keine kühlen Hochhäuser und sterilen Blau- und Grautöne mehr, die meine Vorstellungen dominieren. Rot, Grün, Gelb und Lila – ich bin im Rausch der Farben und bemerke: Singapur ist alles andere als kühl. Singapur ist multikulti, Singapur ist vor allem bunt.

Bunte Shops auf der Haji Lane in Singapur

Bna Ignacio

Anreise. Singapore Airlines fliegt zweimal täglich von Frankfurt a. M. und einmal täglich von München nonstop nach Singapur.

Infos. Singapore Tourism Board, c/o Singapore Centre, Bleichstraße 45, 60313 Frankfurt, Tel. 069 920 7700,
Den reisen-EXCLUSIV-Guide findest du hier.