Das legendäre Skigebiet Aspen Snowmass liegt auf knapp 2.500 Metern in den Rocky Mountains. Das sorgt für großartig trockenen Pulverschnee und echtes Skivergnügen. Das Abenteuer geht schon bei der Anreise los.

Text: Verena Wolff

Eigentlich hatte ich das Skifahren schon aufgegeben. So richtig Spaß hat es nicht mehr gemacht. Zu voll die Pisten, zu wenig Rücksicht, zu viel Unfallgefahr. Vielleicht bin ich inzwischen eine Schönwetterskifahrerin. Eine, die gern die Sonne am Gipfel genießt und das Skifahren nur noch als notwendiges Übel sieht. Dachte ich…

Das legendäre Skigebiet Aspen Snowmass in Colorado

Nicht der nächste Ort zum Skifahren. Aber: ein echt legendärer. Die Schönen und Reichen kommen hierher, der Geldadel aus der ganzen Welt. Hauptsächlich aber die, die noch westlicher in den USA leben, als sie hier ohnehin schon sind. Hollywood-Glamour war einer der Bestandteile, die Aspen zu dem gemacht haben, was es heute ist. Aber das war nur die zweite Geburt dieses kleinen Orts in Colorado, in dem sie die Bürgersteige heizen, damit jede Shopping-Queen und jeder Shopping-King ungehindert von Nobelboutique zu Nobelboutique stolzieren kann.

Skifahrer im Skigebiet Snowmass in Aspen

Verena Wolff

Alles scheint auf den ersten Blick extravagant in dem kleinen Dorf, das eigentlich so abgelegen im Gebirge liegt. Es geht schon los beim Skiverleih: Einchecken per Computer, der Drucker nebenan spuckt ein Blatt mit silberglänzenden Etiketten aus. Mein Name steht darauf, die Ausleihfrist und Verleihnummer. Verwechslung am Berg fast ausgeschlossen. Die Aufkleber bekommt der Materialexperte hinter der Theke.

Powder Day: Perfekte Bedingungen in Aussicht

Ein »Powder Day« sei heute, sagt John. Ende März. Auf dem Gipfel in Snowmass, einem der vier Skigebiete des Resorts, zeigt das Thermometer knapp 20 Grad minus, in der Nacht hat es geschneit. Perfekte Bedingungen also. Wenn die Wolken jetzt noch ein bisschen aufreißen und die Sonne sich gelegentlich blicken lässt, dann ist es wie im Wintersport-Bilderbuch.

Welche Ski ich gerne fahre, fragt der Fachmann hinter der Theke. »Freundliche«, sage ich, »solche, die ich drehen kann und die nicht mich drehen.« »Aha«, sagt er und wendet sich seinem Fundus zu. Rennski gibt es da, Slalomski, lange Latten und vergleichsweise kurze Bretter. Knallig bunt und ganz dezent. Auffällig ist, dass alle Ski deutlich breiter sind als in den Alpen. Puder- und tiefschneegeeignet.

John zieht ein Paar Ski raus, lang, breit, lila. Ich zögere kurz, auf solchen Skiern habe ich noch nie gestanden.

»Die sind perfekt für die heutigen Verhältnisse, sie geben dir in dem frischen Schnee Auftrieb«

sagt er. Alles klar. Und sie passen auch noch zu meinen Skischuhen. Ein bisschen Glamour muss sein auf dem Berg. Perfekt.

Ski Equipment auf einer Bank liegen im Skigebiet Snowmass in Aspen

Verena Wolff

Jetzt geht es also endlich los. Vom Dörfchen Snowmass aus – ebenso ein Schlafdorf aus der Retorte wie Whistler oder andere Skigebiete in Nordamerika. Die Turnschuhe, mit denen ich vom Hotel zum Verleih hinübermarschiert bin, bleiben einfach in einem Gestell vor dem Geschäft stehen. »Hier kommt nichts weg«, versichern mir alle in dem Laden.

Am Lift wartet Dennis Breen, nicht zu übersehen mit seinem roten Anorak. Sein Alter dagegen ist schwer bestimmbar hinter dem dichten weißen Bart, der Gesichtsmaske, der Skibrille und dem Helm. Dennis lebt im Sommerhalbjahr in Portillo in Chile. Im Winter kommt er nach Aspen Snowmass und ist Skilehrer.

Mit dem Village Express auf die 3.240 Meter Marke

Wir fahren mit dem »Village Express« exakt 662 Meter höher auf den Berg, die Station liegt auf 3.240 Metern. Fast zehn Minuten dauert das, es ist eisig, der Wind pfeift – die Sessellifte hier haben weder Sitzheizung noch Verdeck. Leichter Abzug bei den Luxuspunkten. Dafür haben sie im Verschlussbügel eine Karte des Skigebiets. Dennis zeigt mit seinen dicken Skihandschuhen, wohin wir fahren. »Schön breit, frischer Schnee, optimal«, sagt er und soll recht behalten.

Skigebiet Aspen Snowmass in Colorado

Joshua Sukoff

Die Pisten in den USA und Kanada sind anders ausgezeichnet als in den Alpen, die einfachen Pisten sind hier grün statt blau, die mittleren blau statt rot und die schwarzen bleiben schwarz. Für die Pisten, die nicht präpariert sind oder die besonders steil, eng oder alles zusammen sind, gibt es die Bezeichnung »expert« oder »double diamond«. Auch kennt man hier keine Pistenkilometer, sondern nur »skiable acres« – die gesamte Fläche des Skigebiets wird ausgewiesen, auch dort, wo man zwischen den Bäumen fahren kann oder wo die Hänge zu steil sind, als dass eine Pistenraupe sie präparieren könnte.

Und dann stehe ich auf dem Berg auf diesen schicken, fremden, überbreiten Skiern, die meinen Namen auf einem silbrigen Aufkleber tragen – und genieße den frischen Schnee. Es fährt sich so ganz anders als auf der oft eisigen, manchmal sulzigen Unterlage in Europa. Der Schnee hier wiegt nichts, er scheint fast zur Seite zu schweben, wenn ich eine Kurve drehe. Es dauert nicht lange, bis ich einen Rhythmus gefunden habe. Der Berg ist mittelmäßig steil, und er ist breit, sehr breit. Nur wenige Skifahrer sind an diesem ruhigen Morgen in der Woche unterwegs, ganz selten rauscht ein Snowboard durch. Egal, wohin ich abdrifte: Niemand wird mir über die Ski fahren oder mich schneiden. Das Gefühl reicht schon, um die Abfahrt zu genießen. Das Skifahren fühlt sich an wie ein Tanz. Und danach bin ich ordentlich außer Puste – die Luft ist dünn hier oben im Gebirge.

Ein Österreicher bringt das Skifahren nach Aspen

Dass es überhaupt so weit gekommen ist, dass Aspen als Skigebiet erschlossen und dann über viele Jahre erweitert wurde, hat das frühere Minenstädtchen dem amerikanischen Militär zu verdanken. Und einem Österreicher.

1942 etablierte das amerikanische Militär in der Stadt die »Tenth Mountain Division«: eine besondere Einheit, die geschult wurde, um in Europa in den Krieg einzugreifen. Einer der Soldaten, der in diese Einheit aufgenommen wurde, war Friedl Pfeiffer. Aus Sankt Anton am Tiroler Arlberg. Die Männer schworen, dass sie nach Aspen zurückkommen werden, wenn sie alle unversehrt aus dem Krieg zurückkämen. Sie sahen das Potenzial, dass der Aspen Mountain als Skigebiet hatte. Davon gab es auf der Welt noch nicht allzu viele zu diesem Zeitpunkt, in den USA eigentlich gar keins. Und sie kamen zurück.

Pfeiffer und ein paar andere begannen mit der Entwicklung dieses kleinen Orts tief in den Rocky Mountains. Finanziell wurden sie von Walter Paepcke unterstützt, einem Unternehmer aus Chicago.

1947 schon ging der erste Lift in Betrieb, er trug den fantasievollen Namen »Lift One« und war der längste, höchste und schnellste Sessellift der Welt.

Pfeiffer war indes nicht der einzige Europäer, den es zum Skifahren in die USA zog. Ein anderer war Klaus Obermeyer aus Oberstaufen im Allgäu, ein Freund Pfeiffers. Ausgebildet war er als Flugzeugbauingenieur, sein Herz gehörte aber dem Skifahren. Wie genau es Obermeyer schließlich schaffte, nach Aspen zu kommen, ist nicht mehr so ganz exakt nachzuvollziehen – trotzdem hat der inzwischen 103-jährige Allgäuer jede Menge Geschichten auf Lager.

Die Erfindung der Daunenjacke

Da wäre als Erstes die Erfindung der Daunenjacke. Die ist, wie so vieles zu jener Zeit, aus der Notwendigkeit heraus entstanden. Die Leute kamen zwar zum Skilehrer Obermeyer, doch sie froren fürchterlich auf den Holzlatten – der Wind pfiff, die Luft war dünn und die Temperaturen oft deutlich unter null Grad. Obermeyers Mutter, so berichtet seine Assistentin, hatte ihn gezwungen, sein Daunenbett von daheim auf die lange Reise nach Amerika mitzunehmen.

Klaus Obermeyer sitzt lachend am Schreibtisch in einem Büro in Aspen

Verena Wolff

Eines Tages stand nun der berühmte Schauspieler Gary Cooper mit Obermeyer auf der Piste. Ihm ging es nicht besser als den anderen Schülern in der Eiseskälte. Klaus, wie er hier von allen genannt wird, habe dann kurzerhand aus seinem Federbett eine Daunenjacke gefertigt. Er hat sich darin eingewickelt, die Konturen nachgezeichnet und die Jacke genäht. Die hat er derart gewinnbringend verkauft, dass er sich ein Auto leisten konnte und den Sommer über Alaska erkundete.

Für den Allgäuer wurde die Jacke zum Erfolgsprojekt. Bis heute mischen er und seine Frau Noémie im Unternehmen mit. Sie im Design, er in der Geschäftsführung. Warum man ihn und seine Jacken in Deutschland nicht kennt? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagen dazu, dass es schwierig genug war, auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen und sich dort zu halten. Eine Expansion nach Europa war damals nicht angedacht.

Buttermilk: 3.813 Meter Höhe mit 44 Abfahrten

Obermeyer, der inzwischen seit einem Jahrhundert Ski fährt und einen Glückwunschbrief zum 100. Geburtstag von Bundeskanzlerin Angela Merkel in seinem Büro hängen hat, ist heutzutage am liebsten in Buttermilk unterwegs. Das ist das kleinste der vier Gebiete, die zusammen als Aspen Snowmass bekannt sind. 44 Abfahrten gibt es da, der Gipfel liegt auf 3.813 Metern.

Aspen in Colorado

Derek Baumgartner

Nebenan geht es zu den Aspen Highlands, dem Expertengebiet für sportliche, sehr gute Skifahrer. Mit der berühmt-berüchtigten Highland Bowl. Zu der muss man nämlich noch gut 200 Meter in Skistiefeln vom Lift aus hinaufstapfen und startet dann auf 3.777 Metern zu einer der steilsten Abfahrten, die es überhaupt in einem nordamerikanischen Skigebiet gibt.

Die vier Skigebiete sind mit Bussen verbunden – die für amerikanische Verhältnisse regelmäßig und zuverlässig fahren. Von Snowmass nach Aspen dauert es so eine gute halbe Stunde, dazwischen liegen Buttermilk und die Highlands.

Der Aspen Mountain, das Ur-Skigebiet, ist für die meisten geübten Skifahrer machbar. »Ein paar flache Stellen gibt es überall«, sagt Skilehrer Dennis. Und auch hier sind die Pisten breit und selten richtig voll. Jede Piste, die irgendwo auf dem Aspen Mountain losgeht, endet praktischerweise im Ort mit seinen zahlreichen Sonnenterrassen, Coffeeshops und teils sterneprämierten Restaurants.

Eine Piste für jedes Level

Snowmass ist nicht nur das flächenmäßig größte Gebiet der vier, sondern auch das, in dem jeder Skifahrer und Snowboarder seine Piste findet. Steilere gibt es hier und weniger steile, überall ist mehr als genug Platz. Und selbst vorsichtige Skifahrer oder solche, die dem Wintersport schon entsagt hatten, können sich hier im »Tree Skiing« üben – dem Fahren zwischen den Bäumen. Denn so hoch die vier Gebiete auch liegen, über der Baumgrenze ist keines.

Ein Skigebiet in Aspen bei Nacht

Josh Hild

Vornehmlich sind Espen zu sehen, auf Englisch »aspens«, die in dem rauen Klima und der Höhe gut wachsen können. 96 ausgewiesene Abfahrten gibt es in Snowmass, 240 Pistenkilometer. Und wer da einen »Powder Day« erwischt und ein bisschen Sonnenschein, kann das Skifahren wieder ganz neu für sich entdecken.

Mehr Infos zu Snowmass in Aspen

Anreise. Lufthansa und United fliegen direkt von Frankfurt a. M. und München aus nach Denver, von dort ist es noch ein kurzer Flug nach Aspen. Mit dem Auto dauert die Fahrt rund vier Stunden.

Unterkunft. Das »Limelight Snowmass Village«, wie auch das »Limelight Aspen« sind moderne und stylische Hotels der Limelight Hotels in guter Lage.

Skipass. Für Vielskifahrer oder Snowboarder kann sich der IKON-Pass lohnen, in dem auch das Gebiet Aspen Snowmass enthalten ist. Der Pass ist während der gesamten Wintersaison in 58 Skigebieten in zahlreichen Ländern, darunter auch in den Alpen, gültig und kostet ca. € 1.200.

Anbieter. Maßgeschneiderte Angebote für Skireisen in die USA und nach Kanada finden sich beim Anbieter Faszination Ski.

Skifahren in Aspen Snowmass

Joshua Sukoff