»Ich träume in Farbe, besonders, wenn der Himmel im Herbst in mindestens zwanzig verschiedenen Grautönen fast auf Asphalthöhe hängt. Spätestens dann sehnt sich nicht nur mein inneres Auge nach Farbe. Dann schreit es geradezu nach Farbexplosionen.« Kennt ihr das auch? Dann folgt reisen EXCLUSIV-Autorin Simone Sever in kunterbunte Kunst(t)räume.
Licht und Farbe stimmen mich glücklich: bunte Fingernägel, gelbe Schals, rote Schuhe, grüne Taschen … In Zeiten, in denen sich die Sonne hinter dicken Wolkenschichten versteckt, braucht es Farbtupfer der besonderen Art. Und weil Art eben auch Kunst ist, habe ich mich aufgemacht, die Welt zu bereisen – auf der Suche nach erhellenden Kunsträumen und Kunstinstallationen.
Regenbogen in Aarhus
In Dänemarks zweitgrößter Stadt Aarhus hat Ólafur Elíasson einen Regenbogen erschaffen, durch den man geradezu tanzen kann. Auf dem Dach des Aarhuser Kunstmuseums Aros überstrahlt die Kunstinstallation »Your Rainbow Panorama« jeglichen grauen Schleier, der die Stadt überzieht. Wer irgendwann alle Regenbogenfarben durchschritten hat, der sollte auf keinen Fall die gigantische Figur »Boy« des australischen Künstlers Ron Mueck verpassen, die neben dem Rainbow Walk ebenfalls zum Wahrzeichen des Hauses geworden ist.
Farbenfrohe Hauswände in London
Die britische Hauptstadt London ist ja gern für viel Regen und wenig Sonnenschein bekannt. Vielleicht ist das auch ein Grund, wieso farbenfrohe Murals in der Brick Lane und Umgebung zahlreiche Hauswände zieren. Nicht mehr nur in der Streetart-Szene bekannte Namen wie Banksy, Roa, Stik finden sich an beinahe jeder Ecke. Vor lauter Staunen aber bitte nicht ins Stolpern geraten, die Fußwege sind nämlich nicht immer gefahrenfrei. Also, Augen auf in jede Richtung!
Moderne Kunst in Peking
Auch in Chinas 22.5 Millionen Megametropole Peking findet sich eine bunte Kunstszene. Für die oft kunterbunte moderne Kunst gibt es einen ganzen District, den »798 Art District«, der sich auf dem Gelände einer alten Fabrik ausgebreitet hat und mit zahlreichen Galerien, Künstlerateliers, Shops und Cafés zum bunten Bummel einlädt. Ausstellungen, Skulpturen, Streetart … In 798, dem Mekka der modernen Kunst Chinas, kann man locker einen ganzen Tag verbringen, denn es gibt hinter jeder Ecke etwas zu entdecken.
Tupfen in Tokio
Keine Angst vor Polka-Dots – oder Tupfen, wie man sie auf Deutsch nennt – sollte haben, wer die punktuellen Kunstwelten und wiederkehrenden Muster der japanischen Avantgarde-Künstlerin Yayoi Kusama betritt. Endlose Punkte, gelb-schwarz getupfte Kürbisse, Punkte auf Kleidung, Punkte an den Wänden, so bunt wie Konfetti … In Tokio hat man der Vorläuferin der Pop Art im Jahr 2017 das Yayoi Kusama Museum erbaut. In Europa gibt es immer wieder Ausstellungen, die das Werk der inzwischen über 90-jährigen Künstlerin vorstellen.
Farbnebel und Blütenträume in Tokio
Tokio hat farblich gesehen noch mehr auf dem Kasten. Nicht nur die riesigen Billboards an der Shibuya Kreuzung, die ein bisschen an »Bladerunner« erinnern, im teamLab Planets Tokyo wird die Traumwelt zur Realität, wenn Besucher in dreidimensionalen Orchideenblüten in Pink und zartem Rosa abtauchen können oder durch einen Farbnebel wie auf einem fernen Planeten waten. Wer übrigens nicht ganz nach Japan fliegen möchte, um derlei farbenfrohe Kunst zu bestaunen, der kann sich schon mal das Jahr 2024 markieren, dann nämlich ist die Eröffnung des teamLab in Hamburg an der Elbe geplant.
Magische Momente im Higashi-Tokorozawa-Park
In der Präfektur Saitama, 20 Minuten westlich von Tokio, liegt der Higashi-Tokorozawa-Park. Auch hier hat das berühmteste Künstlerkollektiv teamLab sich etwas einfallen lassen: die permanente Freiluftinstallation »Resonating Life in the Acorn Forest« verzaubert ganz besonders am Abend, wenn die Objekte, die überall auf dem Gelände des Parks verteilt sind, leuchten und zudem auf Umgebungsgeräusche und Berührungen der Besucher reagieren.
Kinderspielplatz und Glasturm in Hakone
Toshiko MacAdam ist eine japanische Künstlerin, die bunte, netzartige Strukturen aus gehäkeltem und geknotetem Nylon erschafft. Ein stabiler Spaß, der im japanischen Hakone-Open-Air-Museum in Hakone südlich von Tokio besonders die Kinder erfreut, denn die dürfen sich in dem knallbunten Häkelspaß-Spielplatz so richtig austoben. Da möchte man doch glatt wieder im Vorschulalter sein. Aber auch Erwachsene finden jede Menge farbliche Akzente im ersten Open-Air-Kunstmuseum des Landes. Zum Beispiel Gabriel Loires »Symphonic Sculpture«. Wer den Turm des französischen Glasmalers erklimmt, der kann sich an den farbigen Fenstern gar nicht sattsehen.
Ab- und Eintauchen in Bordeaux
Spektakuläre Installationen erwarten Kunsthungrige in Les Bassins de Lumières, einer ehemaligen U-Boot-Basis in Bordeaux, die in ein gigantisches Zentrum für digitale Kunst verwandelt wurde. Man begibt sich direkt ins Innere der 360°-projizierten Kunstwerke, die im Halbdunkel auf Rohbeton, Stahl und Wasser wiedergegeben werden. Ob Klimt, Monet, Chagall, Dalí, Hundertwasser, Van Gogh … die Künstler wechseln. Das Gefühl – abgetaucht zu sein in weltbekannte Meisterwerke – fühlt sich ein bisschen so an, als könne man den Künstlern in den Kopf schauen.
Wer es nicht nach Bordeaux schafft, dafür lieber in Paris auf Entdeckungsreise geht, der findet das Atelier des Lumières zwischen Bastille und Nation in einer ehemaligen Gießerei im 11. Arrondissement.
Die größte Kunstgalerie der Welt im Stockholmer Untergrund
Dass Kunst nicht immer nur im Museum stattfindet, wissen wir, seitdem es Streetart gibt und in Freiluftgalerien Skulpturen, bunte Murals und spannende Installationen zu entdecken sind. In Stockholm ist die Kunst in den Untergrund gegangen. Tunnelbana ist die lokale U-Bahn, die in den Granituntergrund der schwedischen Hauptstadt gesprengt werden musste. 100 Stationen gibt es, 95 davon sind künstlerisch bearbeitet, einige sehr farbintensiv. Bloß nicht in der Bahn sitzenbleiben, sondern unbedingt die Zeit nehmen, sich in einer der größten Kunstgalerien der Welt umzusehen. Zug um Zug!