Touristenmassen ohne Ende: Island litt in den vergangenen Jahren unter den Folgen des Overtourism. Das soll sich ändern. So soll der Ökotourismus in Island vorangetrieben werden.

Þetta reddast. Alles wird gut. Es ist ein isländisches Sprichwort – und man könnte fast sagen, es ist das Motto einer ganzen Nation. Über mehrere Jahrhunderte lernten die Isländer mit der unbändigen Natur auf der Insel zu leben und sie zu schätzen. Auch jetzt, in der zermürbenden Zeit der Corona-Pandemie, heißt es auf Island: Ruhe bewahren, neue Wege zu suchen und einander zu ermutigen. Das gilt auch für den Ökotourismus in Island.

Grüne Schlucht in Island

Jonathan Auh

Denn das mit den neuen Wegen gehen, das ist in Islands Tourismus bitter nötig. Der Overtourism hat dem Land mächtig zugesetzt. Der Hype um Geysire, Wasserfälle und Gletscher, nicht zuletzt angefacht durch soziale Netzwerke wie etwa Instagram, blieb nicht ohne Folgen. Seit 2010 hatten sich die Besucherzahlen binnen acht Jahren verfünffacht. Rund zwei Millionen Touristen besuchten 2019 das Land. Zu viel, wie Tryggvi Felixson, Reiseleiter und Vorsitzender von Landvernd, dem isländischen Umweltverband, jüngst gegenüber dem Condé Nast Traveler sagte. »Das Wachstum der Besucherzahlen bis 2019 war viel zu schnell. Wir näherten uns an einen Punkt, der die nachhaltige Entwicklung gefährdete«, so Felixson.

Wie die Touristen die Isländer verärgerten

Was ist passiert? So wie in Barcelona, Venedig und Amsterdam ächzten auch die Einwohner Islands unter den Touristenmassen. In den Sommermonaten Juli und August, wenn die Temperaturen auf der Insel am angenehmsten sind, ist in den Straßen und auf den Plätzen der Hauptstadt Reykjavik an Ruhe und Erholung kaum zu denken. Es ist der mangelnde Respekt vieler Touristen, die die Isländer verärgert hat. Die Rede ist auch von achtlos in die Natur geworfenem Müll und hanebüchenen Aktionen fürs perfekte Selfie an der Klippe oder den Geysiren. Kurzum: Den Isländern wurde der Hype zu viel.

Im Frühjahr 2018 schließlich griff die Regierung ein. Sie stellte neue Maßnahmen vor. In einem Dreijahresplan zur Infrastrukturentwicklung stellten das Umweltministerium und das Tourismusministerium rund 2,1 Milliarden Isländische Kronen bereit. Von einer Stärkung des Umweltschutzes war die Rede, der dazu beitragen solle, den »isländischen Tourismus gezielt zu fördern und gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck in der Branche zu reduzieren«. Dafür sollte besonders in den Naturschutz sowie in verbesserte touristische Einrichtungen und erhöhte Sicherheit investiert werden.

Person hält Blaubeeren in beiden Händen

Visit Westfjords

Nationalpark Vatnajökull: Musterbeispiel für den Ökotourismus in Island

Auch die Regionen in Island setzen mittlerweile immer mehr auf Ökotourismus. So können etwa bei »Slow Adventures« Touristen auf Touren mit heimischen Guides die Natur und die Umgebung entdecken. »Langsame Abenteuerunternehmungen stützen sich auf die Idee, dass Touristen sich auf die Kultur und Geschichte des Landes einlassen. Dazu gehören Angeln, der Verzehr organischer Lebensmittel, Liebe und Respekt für Natur und Tierwelt sowie die Beziehung zwischen Nahrung und Land und Meer«, heißt es bei den Machern von »Slow Adventures«. Eine Tour führt etwa zum Vatnajökull-Gletscher, wo ein erfahrener Guide Touristen an einen Ort fernab der Touristenmassen führt.

Vatnajökull Nationalpark Island

Theodor Vasile

Der Nationalpark Vatnajökull gehört seit dem Sommer 2019 zum Unesco-Welterbe. Das Gletschergebiet ist bereits die dritte Welterbestätte in Island. 2004 schaffte es der Nationalpark Thingvellir als erste Stätte Islands auf die Liste des Welterbes. Anschließend folgte die Vulkaninsel Surtsey 2008. Der Nationalpark Vatnajökull wurde im Jahr 2008 gegründet und umfasst den gesamten Vatnajökull-Gletscher einschließlich der ehemaligen Nationalparks Skaftafell und Jökulsárgljúfur. Das sind rund 14 Prozent der isländischen Gesamtfläche, d.h. etwa 14.701 Quadratkilometer. In der Nähe des Gletschers wird auch das neue Six Senses Össurá Valley im Jahr 2022 eröffnet werden.

Ein andere Maßnahme zur Stärkung des Ökotourismus in Island wurde in der Hauptstadt Reykjavik umgesetzt: das »Green Eco Steps«-Projekt. Es fördert die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel – mit der Reykjavík City Card nutzen Touristen diese kostenfrei.

Neue Route im Nordwesten: The Westfjords Way

Seit Neuestem verbindet eine neue Tunnelstrecke den nördlichen und südlichen Teil zwischen Arnarfjörður und Dýrafjörður der isländischen Region Westfjorde. Die neue Route ist 950 Kilometer lang führt rund um die Halbinsel Westfjorde und Dalabyggð in Westisland. Der Westfjords Way soll Reisenden eine Alternativroute zu der bis dato überlasteten Ringstraße rund um die Vulkaninsel bieten – und ein bisher noch unbekanntes Naturerlebnis entlang der wenig befahrenen Küstenlandschaft ermöglichen.

Einsame Straße in Island

Rory Hennessey

Ein weiterer guter Ort, um den Touristenströmen im Süden Islands zu entgehen, ist die rund 250 Kilometer lange Autoroute »Diamond Circle« im Nordosten. Sie führt zu den fünf Sehenswürdigkeiten in Nordisland: den Wasserfall Goðafoss sowie Dettifoss, dem größten Wasserfall Islands, den Mývatn-See und den Ásbrygi-Nationalpark sowie in die Stadt Húsavík. Sie ist bekannt als Startpunkt für Walbeobachtungstouren. Der Diamond Circle liegt in einem der geologisch aktivsten Gebiete Islands; die neue Route befindet sich mitten im Grenzgebiet der Kontinentalplatten.

Wasserfall Goðafoss in Island

Richard Dorran

Alternative zur Blauen Lagune: der neue Geothermalpool Sky Lagoon

Die Maßnahmen zur Stärkung des Ökotourismus bedeuten aber nicht, dass die Hauptstadt vergessen wurde. In diesem Frühjahr wird in Reykjavik die neue Sky Lagoon im Kársnes-Hafen in Kópavogur eröffnen. Die Lagune ist nur zehn Minuten Autofahrt entfernt vom Stadtzentrum Reykjavíks. In das Projekt wurden vier Milliarden Kronen (25,5 Millionen Euro) investiert. Es ist damit eines der größten Investitionen in der Geschichte des isländischen Tourismus.

Mit Blick auf den Atlantischen Ozean bietet der neue Geothermalpool ein besonderes Erlebnis aus Wellness und Design. Eingebettet in die umliegende Landschaft erweckt das rund 70 Meter lange Infinity-Becken den Eindruck eines nahtlosen Übergangs zwischen der Lagune und dem Meer. Die Hoffnung der Isländer ist, dass sich die Sky Lagoon eines Tages zu einer attraktiven Alternative zur berühmten, aber leider auch völlig überlaufenen Blauen Lagune entwickelt.

Menschen schwimmen in Blauer Lagune auf der Halbinsel Reykjanes in Island

Jeff Sheldon

Zum Thema nachhaltiges Reisen in Island erfahrt ihr mehr in den Tutorials von Inspired by Iceland. Seit Juli 2018 gibt es die interaktive Kampagne »The Icelandic Pledge«. Sie regt Island-Reisende dazu an, sich im Internet online oder direkt per Knopfdruck am Flughafen zum verantwortungsvollen Reisen zu bekennen.