Das »Ananda in the Himalayas« bietet alles, was das gestresste Herz begehrt, um sich buchstäblich einmal entspannen zu können. Yoga, Meditation, Ayurveda, ein Spa von Weltrang, leichte Küche sowie ein angenehmes Klima – und eine Lebenseinstellung, die so erfrischend daherkommt wie der Schnee auf den Achttausendern am Horizont. Text: Jan Schnettler
Es ist still in dem kleinen Raum, aber eben nicht geräuschlos. Die Klimaanlage rauscht leise, das Zwitschern von Vögeln dringt gedämpft durch die Fensterscheiben, hin und wieder auch das Kreischen eines Äffchens in den Baumwipfeln.
Tief einatmen und die Yoga-Lehre auf sich wirken lassen
Sonnenstrahlen kitzeln die geschlossenen Lider. Und der Nebenmann? Schnarcht auf seiner Matte inbrünstig vor sich hin. Nein, denkt man sich, unter diesen Voraussetzungen wird es dem ohnehin unruhigen, eine hohe Schlagzahl gewohnten mitteleuropäischen Geist wohl leider nicht gelingen, jene Trennlinie zwischen Wachen und Schlafen zu erreichen, von der Yoga-Lehrer Sushant Pandey vorher sprach. Yoga Nidra heißt die Technik, eine Art Tiefenentspannung mit Meditationselementen, und nach den im monotonen Singsang vorgetragenen Kommandos des Lehrers gilt es dabei im Wesentlichen, auf dem Rücken liegend und mit kontrollierter Atmung nach und nach verschiedene Körperteile zu visualisieren und im Geiste abzutasten. Gelegentlich murmelt man in Gedanken noch ein selbst gewähltes Mantra.
Ausatmen und der Außenwelt entschweifen
Schweift der Kopf von der Aufgabe ab – etwa in Richtung Lachmuskeln wegen des Nebenmanns –, solle man das nicht krampfhaft unterdrücken, sagt Mr. Pandey, sich nur behutsam wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Also gut, warum nicht – wenn man schon mal da ist. Also einatmen, wieder ausatmen. Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger, Ringfinger, kleiner Finger. Und? Schon irgendein Effekt zu spüren?
Vielleicht wäre es hilfreich, einfach mal etwas weniger zu reflektieren, meldet sich ein schon leicht schleppender Gedankenimpuls. Eine wohlige Schwere senkt sich langsam über das Bewusstsein. Die Geräusche der Außenwelt schweben irgendwie etwas davon, der Nachbar verstummt (der Lehrer, wird er später verraten, hat ihn nur sanft mit dem Fuß am Zeh angetippt). Einatmen, ausatmen, all die Stellen visualisieren, an denen der Körper den Fußboden berührt. Tief einatmen. Auf die rechte Körperhälfte konzentrieren. Auf die linke.
Das soll funktionieren?
Und der Atem verselbstständigt sich zunehmend, der Körper entzieht sich immer mehr dem Zugriff durch die Wahrnehmung, der Geist nähert sich einem wohligen Zustand der Entspannung und bleibt dabei doch irgendwie alert. Messerscharf, aber doch wie durch Watte dringen die Wörter nunmehr in ihn ein. Das Bewusstsein sackt ab, für den Bruchteil einer Sekunde nur, und als Mr. Pandey in seinem perfekten Lotussitz plötzlich zum kollektiven Aufrappeln aus dem tranceartigen Zustand bittet, ist das Eingeständnis perfekt: Das hier ist kein Humbug. Das funktioniert. Das fühlt sich gut an. Und hinterher – ist man irgendwie wacher als vorher.
Glückseligkeit nahe des Himalayas
Eine Erfahrung, wie sie durchaus sinnbildlich stehen kann für einen Aufenthalt im Ananda in the Himalayas, dem exklusiven Spa-Resort 1200 Meter über dem Ganges-Tal im Norden Indiens. Denn wer die ganzheitlichen Ananda-Prinzipien auf sich wirken lässt, merkt schnell, dass er unweigerlich ananda (Sanskrit für Glückseligkeit, Segen) ernten wird. Dafür sorgt die auf jeden Gast individuell abgestimmte Mischung aus Ayurveda, Yoga, Meditation, Massage und purer Erholung. Dafür sorgt das milde Vorgebirgsklima mit seiner klaren Bergluft.
Dafür sorgt die makellose Schönheit der 40 Hektar großen, bewaldeten Anlage, die um einen ehemaligen und gut erhaltenen Maharadscha-Palast herum gebaut wurde (der Maharadscha, auch wenn er heute kein Herrscher mehr ist, schaut sogar noch ab und zu vorbei) – ein in dieser Form sicher einmaliges Juwel. Und dafür sorgt die wahrhaft atemberaubende Landschaft: im Rücken die bei klarer Witterung schneeweiß am Horizont schimmernden ersten Achttausender des Himalayas, am Fuße des Berges der heilige Fluss Ganges und die mythenumrankte Stadt Rishikesh, so etwas wie die Geburtsstätte des Yoga, wo vegetarische Ernährung Pflicht und Alkohol verboten ist; und drum herum die üppige Vegetation eines Nationalparks, in dem Tiger und Elefanten heimisch sind. Auf das Ananda-Gelände verirrt sich jedoch allenfalls hin und wieder ein Leopard. Einatmen, ausatmen: Die scheuen Großkatzen meiden den Menschen und betrachten ihn nicht als potenzielles Beutetier.
Bademantel statt Badeshorts und Flip-Flops
Der erste Schritt, um den Durchschnittseuropäer aus seiner körperlichen wie geistigen Verspannung herauszukitzeln, ist im Ananda die Lockerung der Kleiderordnung. Jeder Gast erhält beim Check-in einen luftigen weißen Zweiteiler, der binnen Minuten zur zweiten Haut wird. Es folgt der Besuch beim Ayurveda-Arzt. Anhand der drei Doshas (Lebensenergien) Pitta, Vata und Kapha bestimmen Doktoren wie Adarsh Shetty zunächst, welche jeweilige Konstitution der Gast mit sich bringt. Dazu genügen einmal Pulsmessen, ein tiefer Blick in die Augen und eine Reihe scheinbar abwegiger Fragen wie: Fühlen Sie sich bei Hitze oder Kälte wohler? Und: Schlafen Sie manchmal schlecht? Die meisten Vertreter der westlichen Arbeitswelt fallen in den Pitta-Grundtyp (Feuer); gesellt sich dazu dann etwa noch ein Vata-Anteil (Luft), ist nach der ayurvedischen Lehre ein Ungleichgewicht vorprogrammiert.
Kreuzkümmel-Lassi statt Erdbeershake
Dieses gilt es in der Folgezeit aufzulösen, die verloren gegangene Balance wiederherzustellen – durch gezielte Yoga-Übungen, durch angemessene Ernährung, durch abgestimmte Massagen. Wie streng die Ayurveda-Lehre ausgelegt wird, bleibt jedem Besucher selbst überlassen. Reinigende Einläufe etwa sind durchaus Bestandteil des Spa-Angebots, werden einem aber nicht aufgedrängt; und beim Abendessen mit täglich wechselnden Menüs ist zwar außer rotem Fleisch nichts dezidiert tabu, es besteht aber auch die Möglichkeit, ausschließlich dem Typus entsprechend zu speisen. Der Pitta-Vertreter kann sich dann etwa an organischem Gartengemüse, Soja-Nuggets, Tofu und Maiscurry delektieren (301 Kalorien), der Vata-Typ an Paprika-, Pilz- und Zwiebel-Enchiladas mit Cheddar (310), der Kollege aus der Kapha-Kategorie an asiatischem Wokgemüse, Bohnensprossen und Senfkohl an Roggenpfannkuchen (263). Als Getränk dazu empfiehlt sich beispielsweise der Kreuzkümmel-Lassi oder der schaumige Joghurt-Gurken-Muskat-Saft.
Wohlfühlküche für den Gaumen
Überhaupt die Küche: Sie gehört zweifelsohne mit zum Feinsten, was der indische Subkontinent zu bieten hat, und sie macht, fernab von Chicken Tikka, möglich, woran die allermeisten Diätkonzepte scheitern – eine gesunde, ausgewogene Ernährung, die aus nährstoffreichen, cholesterin- und kalorienarmen Gerichten besteht, weder Hungern noch Verzicht fordert und zudem noch völlig neue Geschmackshorizonte erschließt. Das Konzept »Ananda Rejuvenation Cuisine« (Verjüngungsküche) beschreibt eine Mischung aus westlicher und orientalischer Kochkunst, der ayurvedische Prinzipien zugrunde liegen. Und das heißt: Essen sollte stets jede der sechs Geschmacksrichtungen (süß, sauer, salzig, scharf, bitter und herb) beinhalten, ebenso Kohlenhydrate, Fette und Proteine, aber eben alles in Maßen – und im Idealfall auf sechs Mahlzeiten über den Tag verteilt werden. Die Zutaten sind natürlichen, meist regionalen Ursprungs; vieles wird im eigenen Garten angebaut, und anstelle von künstlichen Zuckerersatzstoffen kommt etwa die Stevia-Pflanze zum Einsatz. 32 Köche zaubern so Tag für Tag schmackhafte, würzige Köstlichkeiten wie Ziegenkäsegratin, Lammcurry mit Kardamom, Kokoscurry mit Meeresfrüchten oder den Safran-Reispudding Kesari Kheer.
Ausgezeichnetes Spa
Regelmäßig können die Gäste an Show-Cooking-Vorführungen teilnehmen und so das ein oder andere Rezept für den Hausgebrauch aufschnappen. Herzstück der Anlage, direkt neben dem Pool gelegen, ist das 2.200 Quadratmeter große Spa. Dieses hat dem Ananda in allererster Linie in den seit der Eröffnung Auszeichnung um Auszeichnung eingebracht.
Einheit von Körper, Geist und Seele
Mehrere Wochen ließen sich ausschließlich in dieser Wohlfühloase verbringen, bis man irgendwann die rund 80 verschiedenen Therapien, Anwendungen und Beauty-Behandlungen durch hat. Denn dabei geht es nicht lediglich um das schnöde Kneten von Muskeln oder das Schwitzen im Dampfbad, sondern um Reinigung, Verjüngung und Entgiftung, um eine Belebung des Nervensystems, um das Stimulieren von Abwehrkräften, um die Einheit von Körper, Geist und Seele. Wie in der Küche setztman auch hier auf eine Auswahl bewährter Techniken aus der ganzen Welt (Reiki, schwedische Massage, Aromatherapie, Shiatsu, Thai) in Kombination mit der Jahrtausende alten Finesse Nordindiens.
Bei der »Abhyanga«-Massage lösen etwa gleich vier kundige Hände mit heißem Sesamöl die Verspannungen des Körpers und regen die Blutzirkulation an. »Ananda Fusion«, die aufregende Signature-Massage, wird Dosha-spezifisch auf jeden Gast zugeschnitten; das »Tibetanische Ritual« verbindet fünf verschiedene Öle, Akupressur und heiße Ganzkörperwickel; und der »Ganges-Blitz« ist eine donnernde Mischungaus Hydrotherapie mit Himalaya-Quellwasser und einem Salzpeeling. Kopf- und Gesichtsmassagen runden das Angebot ab, auch Paarbehandlungen und Massagen für werdende Mütter dürfen nicht fehlen. Selbstredend gibt es über die 24 Behandlungsräume, Sauna und Whirlpool hinaus auch noch ein Fitnessstudio, wo jeden Morgen unter fachkundiger Anleitung beim »Full Moon Stretching« Muskeln gedehnt werden, deren Existenz manchem Gelegenheitssportler vorher wohl nicht einmal bekannt war.
Langeweile bleibt daheim
Gelegenheit zu laufen, Golf zu spielen, zu schwimmen oder an einem der ältesten Billardtische Indiens den Queue zu schwingen, besteht ebenfalls zur Genüge. Für Meditation und Yoga mit fachkundigen Lehrern aus den Ashrams von Rishikesh oder der renommierten Bihar School of Yoga bieten sich eine ganze Reihe von zum Teil extravaganten Orte auf der weitläufigen Anlage an: ein steinernes Amphitheater etwa sowie mehrere offene Marmorpavillons für Einzelsitzungen. Ferner wird an einigen Abenden in der Woche ein unaufdringliches Unterhaltungsprogramm geboten, zumeist in Form traditioneller Tanzdarbietungen oder Vedanta-Lesungen. Es gibt die Möglichkeit, in Begleitung 600 weitere Meter hoch in die Berge zu kraxeln, wo es einen blütenweißen Shiva-Tempel zu besichtigen gibt, hinter dem sich die ersten Himalaya-Riesen auftürmen – und man sich noch ein Stück weit mehr so wähnt, als sitze man auf dem Vordach der Welt.
Wer will, kann sich vom Haus-und-Hof-Biologen Suniti Dutta in die Vogelwelt des Resorts einführen lassen; stolze 177 Spezies hat er dort bisher ausgemacht. Rafting-Touren auf dem Ganges in Rishikesh können gebucht werden, ein Trip in den nahen Nationalpark, ebenso die Teilnahme am allabendlichen Ritual »Ganga Aarati« in der heiligen Stadt, wo einst schon die Beatles meditierten und seitdem Sinnsucher aus aller Welt Station machen. Dabei handelt es sich um eine hinduistische Feuerzeremonie, die der örtliche Guru mit seinen Schülern Mantra-singend und meditierend verbringt – eine mittlerweile zwar auch stark touristisch angehauchte, aber trotzdem noch immer sehr urtümliche Attraktion.
Ein Aufenthalt im Ananda zeigt Wirkung
Und doch wäre das alles nicht viel mehr als das Herunterbeten eines Hochglanz-Urlaubskatalogs über ein Fünf-Sterne-Resort mit 70 Zimmern, fünf Suiten sowie drei Villen, herumstolzierenden Pfauen und bisweilen berühmten Gästen wie Bill Gates und Brad Pitt, wenn ja, wenn da nicht diese besondere Ananda-Note wäre, die in jeder Sekunde des Aufenthalts Wirkung zeigt. Der legere Dresscode ruft schnell ein Gemeinschaftsgefühl hervor. Und weil die Angestellten bei wirklich jeder Begegnung mit aufrichtiger Freundlichkeit die Hände und den Kopf zum Gruß »Namaskar« neigen, tut man es ihnen alsbald nahezu automatisch gleich.
So entsteht eine ungezwungene Vertrautheit im Umgang miteinander, eine persönliche Note, ein intimer, fast freundschaftlicher Zusammenhalt. Und: Mit der Sonne zu Bett zu gehen und am nächsten Morgen wieder aufzustehen, wird nach wenigen Tagen zur Selbstverständlichkeit.
Kein Wunder, dass der quirlige Hotelchef sich darüber freuen darf, dass mehr als ein Drittel aller Gäste mindestens ein zweites Mal wiederkehren in das noble Haus im abgeschiedenen Bundesstaat Uttarakhand. Denn sie wissen genau: Sie verlassen das Ananda stets ein ganzes Stück gesünder, entspannter – und irgendwie auch wacher als vorher.
Eine Buchung ist möglich über diverse Reiseveranstalter, z. B. Art of Travel, Designreisen, Lotus Travel Service, Dertour, Flex Travel Tui Suisse und Gulliver’s Lifestyle. Als Mitglied der Hotelkooperation Healing Hotels of the World ist eine Buchung auch über die Website möglich.