Nicht reisen zu können, weil die Welt Corona bedingt stillsteht, kann schon mal ziemlich traurig machen. Aber Reisen können auch in unseren Erinnerungen und am Bildschirm stattfinden. reisen EXCLUSIV-Autorin Simone Sever verrät, wie sie sich in diesen ungewohnten Zeiten aufmacht die Welt zu erkunden.
Eine meiner liebsten Freundinnen findet »dieses virtuelle Gereise ziemlich doof.« Ja, nee, klar, ich würd‘ auch lieber im Flieger sitzen – trotz meiner Flugangst . Natürlich würde ich viel lieber über den Wolken die Sonne auf- oder untergehen sehen, anstatt die 50 Shades of wunderschönem Grau am Hamburger Himmel zu zählen.
Doch anstatt die Welt zu bereisen, sich in Flüge und Züge einzubuchen, sich von fremden Kulturen inspirieren zu lassen oder manches Mal an kulinarischen Herausforderungen zu scheitern, sitze ich nun, wie so viele überall auf der Welt, in meinen vier Wänden daheim. Zur Zeit buche ich also eher nichts, bin wenig Kultur inspiriert und muss mich Tag für Tag meinen eigenen kulinarischen Herausforderungen stellen.
Reisen vergesse ich – bei allen persönlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen – dennoch nicht. Das geht irgendwie auch gar nicht, denn kaum erwache ich morgens in meiner neuen vier Wände begrenzten Welt, stehen die Erinnerungen schon bereit. Ich trinke Kaffee aus einem »Ich herz Vienna«-Becher. Den Kronleuchter, der in der dunklen Jahreszeit Licht spendet, habe ich mal in einem verstaubten Antiquitätenladen an der Amalfitana gefunden, ein Pouf kommt aus der Medina Marrakechs, die Kissen aus Kopenhagen, eine Tasche aus Dominica, ein Fläschchen mit Wüstensand aus Ras al Khaimah …
Einmal wegbeamen, bitte! Virtuelles Reisen in China
Mein neuer Arbeitsweg ist ganze zwölf Schritte lang: von der Küche an meinen Schreibtisch. Schon liegt China direkt vor mir. Ach Mensch China, was hast du dich damals 2018 im Zug ins Zeug gelegt – zu gern würde ich dich bald wieder besuchen.
Und als hätte das große Universum mein Flehen und Bitten ein kleines bisschen erhört, finde ich sogleich in meinem E-Mail-Fach Post, die mir von einer neuen Ausstellungsplattform berichtet: Virtual Tours in China machen durch modernste Videotechnologien und 360 Grad-Filmaufnahmen Besuche am PC und auch auf mobilen Plattformen möglich.
Nach Schnaps und mit Pandamütze für alles bereit
Ich bin dann mal weg. Auf einer virtuellen Reise in China und mache einen Spaziergang auf der Großen Chinesischen Mauer in Mutianyu. Ich weiß noch genau, wie heiß es an dem Tag war, als ich mich in einen für meine Verhältnisse viel zu wackeligen Skilift Made in China setzte, um in der Hitze nicht stundenlang hoch zur Mauer stapfen zu müssen. Über die Baumwipfel flog ich diesem beeindruckenden Weltkulturerbe entgegen, nachdem ich erst einen Schnaps trank und mir dann eine Pandamütze kaufte.
Mit fliegenden Haaren dann übrigens wieder runter. Denn es gab eine Sommerrodelbahn Made in Germany, die aus dem Abstieg ein rasantes Vergnügen machte. In der 21,5-Millionenmetropole Peking habe ich damals natürlich auch die Verbotene Stadt besucht. Jetzt muss ich nicht nach meinem Pass kramen. Ich kann einfach am Ticketschalter vorbei gehen und stehe schon mittendrin in der Forbidden City.
Ob ich wohl den kleinen Innenhof wiederfinde, der mit einem schattenspendenden Baum so besonders schön war?
Virtuelles Reisen in China: Statt Schnellzug reicht ein Klick
Zum 798 Art District sind wir damals mit der U-Bahn gefahren und haben uns dann irgendwie doch verlaufen. Jetzt führt es mich schnurstracks hinein in die Kunstzone. Gleich zu Beginn treffe ich eine der lebensgroßen Skulpturen des chinesischen Künstlers Gao Xiao Wu. Diese Kunstfigur traf ich damals auch in meinem Pekinger Hotel . Für einen Besuch des Sommerpalastes reichte im Sommer 2018 die Zeit nicht mehr. Jetzt schlendere ich genüsslich am Kunming See entlang bis zum Marmorboot, das die Kaiserinwitwe Cixi im Zuge der Renovierung des Palastes zwischen 1885 und 1895 errichten ließ.
Um die Terrakotta Armee zu sehen, braucht es keinen Schnellzug. Ein Klick reicht. Ich bin aus vielerlei Gründen beeindruckt. Vom Shennongjia Waldgebiet habe ich vorher noch nie was gehört. Vom Chengde Mountain hat mir mein Sohn, der von 2017 bis 2018 bei einer chinesischen Familie in Peking lebte, mal einen wunderschönen Film einer Bootsfahrt geschickt.
Es gibt so unfassbar schöne Natur im bevölkerungsreichsten Land der Welt. Orte, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Architektur, die für mich so fremd erscheint: Lijiang, Wuyi, Huanglong … vielleicht schaffe ich es nicht, all diese wundervollen Orte im wahren Leben zu bereisen. Heute zumindest haben mich die Virtual Tours in China für einen Moment und einen besonderen Ausflug in einer schwierigen Zeit ins Reich der Mitte eingeladen. Und haben mir gezeigt: China ist zum Greifen nah. Xiè Xiè, danke!
Mehr China-Infos gibt es hier bei China Tourism.