Sie ist das Nationalsymbol der Niederlande: die Tulpe. In unserem Nachbarland wachsen so viele der Zierpflanzen wie sonst nirgends auf der Welt. Doch die schöne Blume kann weit mehr als gute Laune verbreiten: Sie ist nämlich auch eine Delikatesse, Grundlage für Wodka – und Verursacherin des ersten Börsencrashs! Autorin Marie erzählt von einem kulinarischen Abend im Zeichen der Wunderblume.

Vor mir auf dem Teller sieht es ganz schön blumig aus. Nelken und Stiefmütterchen reihen sich an bunte Salatblätter. Und darauf braungeröstete Blumenzwiebeln, die herzhaft im Mund knacken. Ich verzehre gerade den ersten Gang des Tulpenmenüs, das Gerhard Flantua mit seinen zwei bezaubernden Töchtern kreiert. Heute kocht er mal nicht in seinem eigenen Restaurant »Flantuas Restaurant Lelystad« in der Nähe von Amsterdam, sondern in der Kölner Kochfabrik.

Blumen im Salat kennt man –aber Blumenzwiebel?

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Von den Bergen an die Nordsee

Der Abend steht im Zeichen der Tulpe, die Ikone der Niederlande. Dabei lerne ich: Eigentlich stammt die Pflanze aus der Türkei – und ist ein Berggewächs! Wie ironisch es da erscheint, dass sie heute in den sandigen Abschnitten hinter den Dünen der Nordsee in Holland prächtig gedeiht. Das Resultat: ein buntes Blumenmeer, das gleich hinter den kilometerlangen Stränden im Wind wankt.

In Flevoland reichen die Tulpenfelder bis ans Meer.

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So zum Beispiel in den traumhaften Urlaubsregionen in Flevoland, dessen gigantische Tulpenfelder auf neuem Land thronen, das erst im Laufe des 20. Jahrhundert aus dem IJsselmeer gewonnen wurde. Auch Noordwijk ist ein »Blumenbadeort«, der in den Monaten Januar bis April zu seinem schnuckeligen Dorfkern und ausgezeichneten Restaurants ein magisches Blumenspektakel präsentiert. Hier startet auch am 13. April der berühmte BlumenKorso, der bunt und blumig beschmückt seinen Weg nach Haarlem feiert.

In Noordwijk startet jedes Jahr der BlumenKorso nach Haarlem.

Noordwijk

Aber: Wer hat die schönste Tulpenpracht im ganzen Land? Da mag man sich streiten, doch die größte findet man zweifelsohne im berühmten Keukenhof. In dem Frühlingspark des historischen Landguts bei Harleem sprießen sieben Millionen der Wunderblumen in 800 verschiedenen Sorten aus dem Boden.

Tulpen gibt es heute in allen Farben – nur die schwarze Tulpe bleibt ein Mysterium.

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Besucher können vom 20. März bis 9. Mai 2021 durch die 32 Hektar große Anlage streifen (das sind über 30 Fußballfelder!!), den herrlichen Duft genießen, Selfies im Blumenmeer knipsen oder die Kunst und Veranstaltungen im Park besuchen. Letztes Jahr feierte der Park sein 70-jähriges Bestehen!

Dieses Jahr steht der Frühlingspark im Keukenhof unter dem Motto »Flotter Power«.

Keukenhof / Laurens Lindhout

Nachdem das Design für das kommende Jahr feststeht, wird von Oktober bis Weihnachten gepflanzt. Jedes Jahr pflanzen 40 fleißige Gärtner dafür jede einzelne der sieben Millionen Tulpenzwiebeln per Hand! Die genaue Anordnung samt Abstand zur nächsten Zwiebel, die exakte Tiefe im Boden: Die Farbenpracht ab März verdanken wir dieser perfektionistischen Planung.

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Der Mythos: essbar oder gar giftig?

Der Hauptgang präsentiert sich weniger bunt als der Salat, aber natürlich dürfen sie auch hier nicht fehlen: die Tulpenzwiebeln. Als ich mein Sauerfleisch auf Süßkartoffelstampf garniert mit Edamame und Tulpenzwiebel verzehre, kommt mir der Mythos wieder in den Sinn: Tulpenzwiebeln sind giftig!

In Flevoland blühen von Januar bis Mai die Tulpenfelder.

Visit Flevoland

Doch ich weiß jetzt – das stimmt nicht, beziehungsweise nicht ganz. Manche der kleinen, harten Zwiebeln sind essbar, man soll sogar die unterschiedlichen Farben der Tulpen herausschmecken! Na, da hoffe ich mal, dass Koch Gerhard Flantua die richtigen Tulpen ausgewählt hat.

Koch Gerhard Flantua kreiert ein Menü aus Tulpen.

NBTC/Tom Silent

Früher hätte man es wohl nie gewagt, die Tulpenzwiebel zur Delikatesse zu ernennen und zu verspeisen! Dafür war sie viel zu wertvoll. Der flämische Botaniker Carolus Clusius brachte die Pflanze im 16. Jahrhundert nach Holland. Schnell erfreute sich der Adel an dieser schönen Blume und ein Hype um die Züchtung der Tulpe brach aus. In privaten Gärten zeigte jeder, der etwas auf sich hielt, seine neuen Kreationen. Eine wahre Tulpenmanie brach aus, die Zwiebeln neuer Sorten wurden zu utopischen Preisen gehandelt. Bis plötzlich niemand mehr bereit war, die horrenden Summen zu zahlen und die Spekulationsblase zerplatzte – und der erste Börsencrash der Geschichte 1637 mit dem Preisverfall der Tulpenzwiebel besiegelt war.

Holland im Frühjahr verzaubert.

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Not macht erfinderisch

Dass die Tulpenzwiebel später doch ihren Weg auf den Teller fand – so wie bei mir heute –, war der Not geschuldet. Der Winter 1944/45 war eine schreckliche Zeit für Westholland. Denn das Gebiet war vom Rest des Landes durch die deutschen Besatzer völlig abgeschnitten. Mehrere zehntausend Menschen verhungerten. Auch der Export der Tulpen kam zum Erliegen. Nachdem Ärzte getestet hatten, welche der Zwiebeln essbar sind, fand man in den unverkauften Blumenzwiebeln dringend gebrauchte Nahrung.

Ja, Tulpenzwiebeln kann man essen!

NBTC/Tom Silent

Diese Zeiten sind glücklicherweise lange vorbei. Vor mir steht mittlerweile der Nachtisch: ein Birnensorbet mit Safran und eingeweckten Tulpenzwiebeln an Vanillesirup. Heute findet sich die Tulpe nur noch selten in der Kulinarik der Holländer wieder, sie gilt eher als eine Art exotische Delikatesse. Doch für das Land ist sie so wichtig wie nie – und natürlich behält sie in Holland Kultstatus. Ich genehmige mir einen Schluck meines »Tulpomania«, ein Altbier aus der Haarlemer Bierbrauerei Jopen, dessen Flasche eine wilde Tulpe ziert.

Mit Tulpenzwiebeln lässt es sich ganz hervorragend kochen!

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Denn auch heute – vielleicht mehr denn je – ist die Tulpe nicht mehr aus Holland wegzudenken. Alleine wirtschaftlich bildet sie seit langer Zeit den wichtigsten Faktor. 80 Prozent der weltweiten Zuchttulpen (stolze zwei Milliarden Tulpen werden aus Holland exportiert!) stammen aus dem kleinen Land, die meisten Sträuße werden nach Deutschland verkauft. In riesigen Gewächshäusern werden sie im Herbst eingepflanzt, um dann im Frühjahr in bunten Farben zu blühen. Dabei sagt man, dass die Tulpensaison genau 100 Tage dauert, je nach Saison zwischen Januar bis Mai. In dieser Zeit ziert auch mein Küchentisch einer der schönen Sträuße. Doch ein letzter Mythos bei der Züchtung bleibt noch unaufgedeckt:

Ein Tulpenstrauß im Frühjahr ist ein Muss!

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Die schwarze Tulpe

Seit Beginn der Tulpenzüchtung bleibt sie unerreichbar, die schwarze Tulpe. Züchter verzweifeln seither an dem Versuch, eine wirklich schwarze Tulpe zu kultivieren. Denn leider verfügt die Flora einfach nicht über diese Farbe – und auch wenn manche seltenen Tulpenarten schwarz aussehen, sind sie in Wahrheit dunkellila.

Ein wildes Blumenmeer präsentiert sich den Besuchern des Keukenhof in Holland.

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Noch ist es niemandem gelungen, eine schwarze Tulpe zu generieren. Doch die Symbolik um diese Tulpe ist groß: In Europa steht die schwarze Tulpe vor allem für innige Leidenschaft. Dem Erfinder wird ewiger Ruhm und bestimmt auch ein nettes Sümmchen bevorstehen. Während ich die letzten Happen meines Nachtisches verspeise, stelle ich mir eine Gruppe Botaniker in einem Labor vor, die in ihrem Leben nichts anderes als die schwarze Tulpe im Sinn haben. Vielleicht ein Überbleibsel der Tulpenmanie.

Holland ist berühmt für seine Tulpenbracht in den Frühjahrsmonaten.

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Voll gegessen begebe ich mich nach diesem köstlichen Mahl an die Bar der Kölner Kochfabrik. Als ich einen Blick auf das Schild mit dem Drink des Tages werfe, muss ich aufpassen, nicht rücklings vom Barhocker zu fallen. »Cosmo Tulip Premium Blend « steht da. Mit »Dutch Tulip Vodka«, destilliert nur aus 350 Tulpenzwiebeln, angereichert mit holländischem Quellwasser. Ich bestelle einen – und stoße an auf diese wahre Wunderblume.

Aus Tulpenzwiebeln lässt sich sogar «Dutch Tulip Wodka« destillieren.

NBTC/Tom Silent

Infos. Wer die Tulpenpracht Hollands mit seinem Farbenspektakel erleben möchte, der sollte zwischen März und Mai eine Reise in unser Nachbarland planen! Besonders eindrucksvoll sind die Tulpenfelder in Flevoland und Noordwijk – und natürlich darf auch ein Besuch des Keukenhof nicht fehlen.

Der Keukenhof ist Hollands prächtigster Frühlingsgarten.

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