In vielen Ländern auf der Welt hat der Naturschutz Schaden genommen – schuld daran ist die Corona-Pandemie. Schutzmaßnahmen wie Anti-Wilderei-Patrouillen wurden eingestellt oder runtergefahren. Ranger und Wildhüter verloren ihren Job.

Eigentlich, so könnte man meinen, sei die Corona-Pandemie gar nicht so schlecht für die Natur. Die weltweiten Reisebeschränkungen führen schließlich dazu, dass sich deutlich weniger Menschen ins Flugzeug setzen und deutlich weniger Touristen durch die Natur trampeln. Auch war in der Vergangenheit immer wieder zu lesen, dass die Tierwelt sich ihren Lebensraum zurückerobere. So wurden im Stadtpark von Tel Aviv Schakale gesichtet. In Santiago de Chile lief sogar ein Puma durch die Straßen.

Dass die Lage für den Naturschutz aber alles andere als rosig ist, darauf wies jetzt die Weltnaturschutzunion IUCN hin. Zu diesem Thema veröffentlichte die IUCN einen ausführlichen Forschungsbericht in ihrer Zeitschrift Parks. Darin heißt es, die Corona-Pandemie habe den Naturschutz rund um den Globus erheblich beeinträchtigt.

»Unsere neue Studie zeigt, wie schwer die Covid-19-Pandemie die Umweltschutzbemühungen und die Gemeinden, die sich für den Schutz der Natur einsetzen, in Mitleidenschaft gezogen hat«,

sagte IUCN-Generaldirektor Dr. Bruno Oberle.

Park-Ranger sitzt im Auto und beobachtet Elefanten

SAPhotog/Shutterstock.com

Schaden für Natur vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika

Laut dem IUCN-Papier war mehr als die Hälfte der afrikanischen und ein Viertel der asiatischen Schutzgebiete gezwungen, ihre Schutzmaßnahmen einzustellen oder zu reduzieren. So blieben wichtige Aufgaben in den Naturparks auf der Strecke. Dazu zählt etwa der Kampf gegen illegale Jäger. Ranger und Wildhüter verloren ihren Job. Erschwerend hinzu kommt der Einbruch bei den Tourismuszahlen. In Brasilien wird geschätzt, dass die reduzierte Besucherzahl zu einem Umsatzverlust von 1,6 Milliarden US-Dollar führte. In Namibia könnten die kommunalen Schutzgebiete nach ersten Schätzungen 10 Millionen US-Dollar an direkten Tourismuseinnahmen verloren haben.

Touristen beim Wandern in Südafrika

Sebastian Canaves

Die meisten Schutzgebiete in Latein- und Nordamerika, Europa und Ozeanien konnten dagegen trotz Schließungen und Einbußen bei den Tourismuseinnahmen ihre Kerntätigkeiten aufrechterhalten.

Die Pandemie wirkte sich auf das Leben der Ranger in Schutzgebieten und ihrer Gemeinden aus. Eine Umfrage unter Rangern in mehr als 60 Ländern ergab, dass bei mehr als einem von vier Rangern das Gehalt gesenkt oder verzögert ausgezahlt wurde. Jeder Fünfte gab an, aufgrund von COVID-19-bezogenen Budgetkürzungen seinen Arbeitsplatz verloren zu haben. Auch hier waren Ranger aus Mittelamerika und der Karibik, Südamerika, Afrika und Asien stärker betroffen als ihre Kollegen auf anderen Kontinenten.

Auch die Naturschutzorganisation WWF, die an einigen Berichten mitgearbeitet hat, warnt davor, dass die Menschheit mit der Natur und gesunden Ökosystemen den wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen zukünftige Pandemien verliere.

»Naturschutz ist systemrelevant, denn die Natur ist das System schlechthin. Was sie an Leistungen für uns erbringt, ist die Grundlage unseres Lebens und unserer Zivilisation«,

warnte Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland.

Corona und Naturschutz: Lehren für die Zukunft

Heinrich warnt vor den Gefahren, die die jetzige Situation mit sich bringe: »Wer aufgrund der Verwerfungen dieser Pandemie plötzlich nicht mehr weiß, wie er seine Familie satt bekommt und seinen Lebensunterhalt finanzieren soll, für den ist die Versuchung groß, in die Schutzgebiete zu gehen, um dort illegal zu jagen oder durch verbotenen Holzeinschlag wenigstens ein bisschen Geld in die Tasche zu bekommen. Genau das müssen wir verhindern.« reisen EXCLUSIV berichtete bereits im August 2020 über diese Gefahr in einem Bericht aus Tansania.

Landarbeiterinnen in Sierra Leone

Annie Spratt

Dabei gehe es, und das werde häufig vergessen, nicht nur um die Beseitigung eines Naturschutzproblems. Es gelte in der Wissenschaft als Konsens, dass Umweltzerstörung Krankheits-Übersprünge von Wildtieren auf Menschen wahrscheinlicher machen. Wenn vitale Ökosysteme zerstört würden und natürliche Barrieren wegfielen, bringe das Arten in Kontakt zueinander, die vorher nicht im Kontakt waren. Durch die Umweltzerstörung gerieten nicht nur Tierarten ins Ungleichgewicht, auch Erreger-Dynamiken veränderten sich, so der WWF. Außerdem entstehe eine neue, räumliche Nähe zum Menschen. So zeige etwa eine brasilianische Studie aus 2010, dass die Abholzung von vier Prozent eines Waldes mit einer fast 50-prozentigen Zunahme der Malariafälle einherginge.

Investitionen in den Naturschutz und dessen Wiederherstellung kosteten lediglich einen Bruchteil der Billionen Dollar, die die Regierungen für die Bekämpfung von COVID-19 und die Förderung einer wirtschaftlichen Erholung ausgeben mussten, so der IUCN.