Herbst in Nepal bedeutet: Es wird gefeiert! Die beiden wichtigsten Hindu-Feste, Dashain und Tihar, fallen in die Zeit zwischen September und November. Unsere Kolumnistin hat beide vor Ort erlebt und dazwischen ein Festival besucht, das den Jazz hochleben lässt.

Schon öfter habe ich von Kathmandus chaotischem Verkehr erzählt, davon, dass viele Fahrer hier öfter hupen als blinken und bremsen. Mein Freund Ishan und ich sind fast täglich mit seinem Motorrad in der nepalesischen Hauptstadt unterwegs und es grenzt fast an ein Wunder, dass es nie brenzlig für uns wird. Damit das auch so bleibt, bat ich vor ein paar Wochen einen Hindu-Gott um Hilfe, als die Gelegenheit sich bot. Wir feierten Dashain, das wichtigste Festival in Nepal.

Für die Menschen hier ist es genau so bedeutsam wie Weihnachten für uns im Westen. Fünfzehn Tage lang wird es jedes Jahr im Herbst zelebriert, die meisten öffentlichen Einrichtungen bleiben in dieser Zeit geschlossen. An Dashain kommen Familien zusammen, sie lassen Drachen steigen, sie spielen Karten, sie klönen ausgiebig miteinander und sie essen, essen, essen.

Das bedeutendste Festival in Nepal: Dashain

Dazwischen gibt es allerhand religiöse Rituale. An Dashain feiert man – vereinfacht ausgedrückt – den Sieg des Guten über das Böse. Am neunten Festivaltag werden Werkzeuge und Maschinen gewürdigt, vom Schraubenzieher bis zum Fahrzeug. Das soll vor Unfällen schützen und dafür sorgen, dass sie noch möglichst lange heil bleiben. Im Beisein seiner Familie widmeten Ishan und ich uns an diesem Tag deshalb eingehend seinem Motorrad. Ishan befreite es mit einem Druckreiniger von Schmutz und polierte es im Anschluss auf Hochglanz, ich schmückte den Lenker mit einer Ringelblumenkette und Stoffschleifen. Jetzt sind wir also – so Vishvakarma, der Gott der Maschinen und Werkzeuge, will – noch sicherer auf Kathmandus Straßen unterwegs.

Dashain: Das Schlechte einfach wegschaukeln

In diesem Jahr habe ich das wichtigste Festival in Nepal zum ersten Mal mit der Familie meines nepalesischen Freundes gefeiert. Ich war auch beim gemeinsamen Singen im Gebetsraum ihres Hauses dabei und bekam von Ishans Mutter ein »Tika« – ein Segenszeichen aus Reis und Farbpulver, das Hindus bei feierlichen Anlässen an der Stirn tragen.

Susanne Helmer bekommt ein Tika

Susanne Helmer

Dashain findet aber nicht nur innerhalb der Familie statt. Draußen stehen während des Festivals überall riesige Schaukeln aus Bambus, an denen sich immer ein paar Menschen versammeln. Wenn man auf ihnen schaukelt, heißt es, werden schlechte Gefühle fortgenommen und durch gute ersetzt. Bei einigen Schauklern war ich mir allerdings nicht sicher, ob sie sich hinterher besser fühlten – so schwindelerregend hoch flogen sie auf den wacklig wirkenden Gestellen durch die Luft.

Schaukel aus Bambus in Nepal

Susanne Helmer

Der Herbst ist Hauptreisezeit in Nepal – und zwar nicht nur wegen des angenehmen Wetters, sondern auch wegen der Festivals. Nach Dashain ist  nämlich noch lange nicht Schluss. Keine zwei Wochen später beginnt Tihar, das »Festival der Lichter«, auch »Deepavali« genannt. Während der fünf Feiertage blinken an jedem Gebäude bunte Lichterketten, brennen am Abend überall Kerzen vor Hauseingängen, ist jeder Tempel von Butterlampen umrandet. Gern bringen Nepalesen einen Großteil ihres Leuchtmittel-Arsenals schon lange vor dem offiziellen Beginn des Festivals zum Einsatz. So kommt es, dass fast jede Ortschaft in Nepal im Herbst über Wochen einem Lichtermeer gleicht.

Kathmandu and all that Jazz

Zwischen den beiden Hindu-Festen kann man in der Hauptstadt auch ein weltliches erleben. Dann nämlich steigt die größte Jazz-Party im Himalaya: »Jazzmandu« heißt das Musikfestival, das seit 17 Jahren internationale und einheimische Künstler in Kathmandu zusammenbringt. Eine Woche lang finden in der ganzen Stadt vor beeindruckenden Kulissen Konzerte statt.

Konzert während des Jazzmandu-Festivals in Kathmandu, Nepal

Sumi Shahi Thakuri/Santosh Biskune

Mein Lieblingsabend ist jedes Jahr das Konzert im »Kantipur Temple House«, einem Hotel, in dem man die ursprüngliche newarische Architektur erhalten hat. Den Innenhof des Hauses zieren faszinierende Holzschnitzereien. Hier spielen Jazzmusiker aus der ganzen Welt zusammen traditionell nepalesische Musik, während Kerzen auf einem Stupa in der Mitte des Raumes die Umgebung in schummriges Licht tauchen.

Tihar: Auf den Hund gekommen

Tihar hält schließlich ein paar weitere Highlights bereit. An einem der Festivaltage fertigen die Nepalesen vor ihren Haustüren hübsche Muster aus Farbpulver an der Erde an. »Rangolis« heißen die Kunstwerke, die Laxmi, die Göttin des Wohlstands, beeindrucken und ins Haus oder in den Laden locken sollen. Damit Laxmi sich auf dem Weg in die Wohn- oder Geschäftsräume nicht verläuft, kleben Gläubige sogar kleine Fußspuren vom Rangoli bis zur Eingangstür auf den Boden.

Rangoli-Malerei in Tihar, Nepal

Susanne Helmer

Das »Festival der Lichter« ist außerdem die Zeit im Jahr, in der man Tieren besondere Beachtung schenkt. An einem Tag werden die Hunde geehrt, am Tag darauf sind es die Kühe. Die Vierbeiner bekommen dann besonders leckeres Futter und tragen ebenfalls ein Tika an der Stirn sowie eine Blumenkette um den Hals. Für mich ist das eine der schönsten Traditionen hierzulande. Ich freue mich schon auf den nächsten Herbst hier in Nepal mit all seinen Lichtern, all seiner Musik und all seinen einzigartigen Bräuchen.

susanne helmer„"