„"Seit acht Monaten lebt unsere Kolumnistin Susanne in Nepal. Schon mehrmals ist sie von Kathmandu mit dem Reisebus in den Westen und Süden des Landes aufgebrochen. Busfahren in Nepal dauert eine Weile, sorgt aber auch für unvergessliche Momente.

Während meiner ersten Nepal-Reise vor zwei Jahren kaufte ich mir ein Nepali-Lehrbuch. Neben nützlichen Vokabeln fand ich darin Beispieldialoge, die Sprachanfänger für verschiedene Alltagssituationen wappnen sollten. Unter anderem stand dort – vollkommen unironisch – folgender Wortwechsel:

»Wie weit ist es bis ins nächste Dorf?«
»Nicht weit. Bis zum Abend bist du da.«

Seine unfreiwillige Komik wäre mir vielleicht entgangen, hätte ich nicht gerade erst selbst erlebt, wie wie viel Zeit man für das Busfahren in Nepal aufbringen muss. Ein paar Tage zuvor war ich zum ersten Mal mit dem Bus von Kathmandu nach Pokhara gereist. Pokhara, Nepals zweitgrößte Stadt, liegt am Fuße des Annapurna-Massivs, von hier aus starten viele Trekkingtouren ins Himalaya-Gebirge. Außerdem breitet sich hier der traumhaft schöne Phewa-See vor einem aus. Auch seinetwegen zählt die Stadt westlich von Kathmandu zu den meistbesuchten Touristenattraktionen des Landes.

Busfahren in Nepal: Susanne Helmer vor einem Reisebus

Susanne Helmer

Nur 200 Kilometer trennen Pokhara von der Hauptstadt, trotzdem beträgt die Fahrzeit sieben Stunden. Das gilt aber nur für den Hinweg. Zurück ist man meist noch länger unterwegs: Neun Stunden dauerte meine Rückfahrt nach Kathmandu, immerhin inklusive Pausen.

Prithvi Highway: Wenn’s mal wieder länger dauert …

Busfahren in Nepal kann leicht zur Geduldsprobe werden und die Gründe hierfür sind schnell erklärt: Da wäre zum einen der Stau in Kathmandu, falls die Reise hier beginnt oder endet. Erfahrungsgemäß sind die ersten Kilometer aus der Stadt heraus und die letzten Kilometer in die Stadt hinein besonders zäh. Zum anderen gibt es nur eine einzige Straße, die die Hauptstadt mit Pokhara und dem Südwesten des Landes verbindet. »Prithvi Highway« heißt sie, und wer jetzt wegen »Highway« eine breite Autobahn vor Augen hat, macht sich völlig falsche Vorstellungen. Es handelt sich um eine schmale, marode, stellenweise serpentinenartige Landstraße, auf der sich Tag für Tag unzählige LKW, Busse, Autos und Zweiräder aneinander vorbeischieben.

Weil Überlandfahrten in Nepal so lange dauern, planen Busunternehmen standardmäßig eine Mittagspause ein. Bei Anbietern, die sich hauptsächlich an Touristen richten, ist das Essen in einem Restaurant am Wegesrand oft schon im Ticketpreis inbegriffen.

Susanne Helmer

»Könnte man denn nicht die Bahn nehmen?«, fragst du dich jetzt vielleicht. Leider nein, denn anders als im Nachbarland Indien, das berühmt ist für sein gut ausgebautes Eisenbahnnetz, fahren in Nepal keine Züge. Schienen gibt es nur an der indischen Grenze und sie dienen ausschließlich dem Güterverkehr. Die einzige Alternative zum Auto oder Bus ist deshalb das Flugzeug. Nepalesische Airlines fliegen alle touristischen Knotenpunkte des Landes an. In 25 Minuten gelangt man zum Beispiel von Kathmandu nach Pokhara und in 20 Minuten nach Bharatpur am Rande des Chitwan-Nationalparks.

Landschaften in Nepal: 50 shades of green

Fliegen statt fahren? Kann man machen. Sollte man aber nicht. Reisende, die sich für das Busfahren in Nepal entscheiden, sparen Geld, schonen die Umwelt – und werden mit spektakulären Ausblicken belohnt. Der Prithvi Highway folgt über viele Kilometer dem Lauf des Trishuli Rivers. Mal präsentiert sich der Fluss als reißender Strom und mal als idyllischer Bergbach, mal kann man pinkfarbene Raftingboote und Menschen mit gelben Helmen auf ihm ausmachen, mal hüpft das Wasser in dünnen Rinnsalen über Steine hinweg. Und überall an seinen Ufern erheben sich Hügel über Hügel, so weit das Auge reicht.

In allen Grüntönen leuchten einem ihre bewaldeten Hänge entgegen: Helle Reisterrassen wechseln sich mit dunkleren Nadelbäumen ab, dazwischen stehen auch mal ein paar Palmen. Vereinzelt geben die Bäume den Blick auf den nackten Felsen frei, und mit Glück erspäht man hier und da einen Wasserfall. Manche Hügel sind so hoch, dass ich sie Berge nennen möchte, doch hier in Nepal ist es so: »Berge« heißen Erhebungen ab 5.000 Meter – und »Berge« lugen nur vereinzelt am Horizont hervor. Von Kilometer zu Kilometer wird die Landschaft in Richtung Süden flacher, bis sich irgendwann Grasland vor einem erstreckt wie ein riesiger grüner Teppich.

Busfahren in Nepal: Famose Aussichten

Susanne Helmer

Mittlerweile bin ich ein zweites Mal nach Pokhara gefahren. Auch zum Chitwan-Nationalpark bin ich mit dem Bus gereist. War die Fahrt auch noch so holprig und ermüdend: Nepals Landschaft hat mich ein ums andere Mal entschädigt.

Bollywood im Reisebus

Letzte Woche fuhr ich mit Freunden nach Lumbini. Die Stadt an der indischen Grenze ist ein Wallfahrtsort, der Legende nach wurde Buddha hier geboren. Eine riesige Tempelanlage ist ihm zu Ehren in Lumbini entstanden, sie zählt zum Unesco-Weltkulturerbe und zieht Pilger und Touristen aus aller Welt an. Für die 350 Kilometer lange Strecke brauchten wir zehn Stunden hin und zwölf zurück. Und diesmal sorgte nicht nur die Landschaft, die draußen vorüberzog, für Unterhaltung: Vorn im Bus hing ein Bildschirm, auf dem Bollywood-Filme liefen, einer nach dem anderen, mit Musik und Tanzeinlagen, wie es sich für Bollywood gehört. Der Ton war laut aufgedreht und die Fahrgäste – ich war diesmal die einzige Westlerin an Bord – starrten so gebannt auf den Monitor, dass ich mir vorkam wie in einem fahrenden Kinosaal. Es fehlte eigentlich nur das Popcorn. Busfahren in Nepal kann manchmal ein sehr skurriles Erlebnis sein.

Busfahren in Nepal: Film-Unterhaltung inklusive

Susanne Helmer

Kurzweilig war das die meiste Zeit, auch wenn ich die Dialoge und Liedtexte nicht verstand. Nur auf der Rückfahrt, als der Bus nach elf Stunden Fahrt im Schneckentempo ins Kathmandutal kroch und derselbe Song zum x.-ten Mal in ohrenbetäubender Lautstärke durch das Fahrzeug schallte, hätte ich die Boxen am liebsten mit einem Hammer kurz und klein geschlagen.

Mittlerweile muss ich lachen, wenn ich daran denke. Der Song ist mir übrigens noch immer nicht aus dem Kopf gegangen.

susanne helmer

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