Redakteurin Marie legte bei ihrer Japanrundreise einen ungewöhnlichen Stopp ein: in einem Seitental der japanischen Alpen. Was es dort gibt? Heilende Quellen, Unmengen Schnee im Winter und den besten Reis des Landes! Ein Zwischenstopp im Satoyama Jujo.

Der Zug hält. Etwa eine Minute, dann zischt er überpünktlich in Richtung Nagayomi weiter gen Norden. Mit uns steigen zwei japanische Pärchen aus dem Zug von Tokio aus. Alle schauen sich am unbemannten Bahnhof »Osawa« um. Neben dem einzigen anderen Gleis gegenüber wartet ein Mann neben einem weißen Van. Er winkt und alle trotten los. Aha, wir haben also das gleiche Ziel: das Satoyama Jujo. Viel gibt es hier sonst auch nicht in diesem Seitental.

Im Satoyama Jujo in den Japanischen Alpen darf geschlemmt und entspannt werden.

Marie Tysiak

Kurze Zeit später schlängelt sich der Van im Schatten hoher Zypressen den Berg hinauf. Ab und an säumt ein kleines Holzhaus den Weg, dann machen wir plötzlich vor einem riesigen Herrenhaus Halt. Warum die Japanischen Alpen ihren Namen tragen, war mir bereits beim Blick aus dem Zugfenster in die weiten grünen Täler, bespickt mit grasenden Kühen, klar. Doch dieses Anwesen toppt die Ähnlichkeit.

Im Satoyama Jujo in den Japanischen Alpen darf geschlemmt und entspannt werden.

Marie Tysiak

Was an süddeutsches Fachwerk erinnert, ist eine 150 Jahre alte Berghütte, die 2012 als edles »Satoyama Jujo« seine neueste Geschichte begann. Durch die historische Schiebeholztür betritt man das Haus, in dem nun das Vier-Sterne-Hotel Platz gefunden hat. Shoji-Papier ziert minimalistisch und elegant die Wände und Verschläge. Wie in der japanischen Etikette vorgeschrieben, verbeuge ich mich vor der Empfangsdame, ihr Kopf sinkt weit tiefer als meiner. Schließlich bin ich ihr Gast, und das möchte sie mir damit zeigen. Beim Schuheausziehen – ebenfalls japanische Etikette vor dem Betreten von Gebäuden – erhasche ich beim Blick nach hinten noch gerade, wie mein 1,90 Meter großer Freund versucht, Hände vor der Brust vereint, sich vor der kleinen, dunkelhaarigen Frau ebenbürtig zu verbeugen. Ein lustiger Anblick, an den ich mich auf unserer Japanreise noch oft genug erfreuen werde.

Im Satoyama Jujo in den Japanischen Alpen darf geschlemmt und entspannt werden.

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Tatami-Matten treffen modernstes Design

Schmale, helle Gänge führen zu den gerademal zwölf Zimmern im Anbau des Hauses. Tatami-Matten liegen auf dem Boden, meine schuhlosen Füße sinken leicht in das geflochtene Reisstroh ein, ein herrlicher Duft verbreitet sich von ihnen durchs ganze Haus wie frischer Brotgeruch. Wie es sich für alte Häuser gehört, ist alles ein wenig verwinkelt und durch so manche Türen muss man sich ducken. Auch in den Zimmern dominiert helles Holz, japanisch elegante und gleichzeitig minimalistische Einrichtung. Wobei sie im Satoyama Jujo um einiges moderner und designhaltiger gestaltet ist als in einem typischen Ryokan. Auch sind die traditionellen Futons hier nicht direkt auf dem Boden ausgerollt, sondern liegen auf richtigen Betten aus. Ich trete auf den Balkon, von dem sich ein feinstes Bergpanorama präsentiert.

Im Satoyama Jujo in den Japanischen Alpen darf geschlemmt und entspannt werden.

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Doch die Hitze erinnert einen sofort daran, dass man sich keinesfalls im europäischen Hochgebirge befinden kann: Es ist heiß. Sauheiß. Die Abkühlung, die man mir versprochen hatte, beeindruckt mich nicht. Von den 40 Grad Celsius in Tokio sind nun zur Abendstunde in den Bergen vielleicht 35 Grad übergeblieben. Es ist August. Kaum vorzustellen, dass hier im Winter meterhoch Schnee liegt – soviel wie in keiner anderen Region in Japan. Was wiederrum das Satoyama Jujo auch im Winter bei Skifahrern besonders beliebt macht. Im Sommer kommen die Leute, um der Großstadt Tokio zu entfliehen und in den Bergen zu wandern, Rad zu fahren oder einfach nichts zu tun. Zwei Tage im Satoyama Jujo sind super, um einfach mal die Seele baumeln zu lassen, im Winter wie im Sommer. (Man sollte nur bedenken: Es gibt kein Mittagessen!)

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Und ausgerechnet bei solch einer Hitze ist die hölzerne Wanne auf der Terrasse bereits mit heißem Quellwasser gefüllt und dampft mehr oder weniger einladend vor mir. Denn eines der Aushängeschilder des Hauses ist: seine Onse. Das Baden in heißem Thermalwasser, das an vielen Stellen in Japan aus der Erde sprudelt, wird im Lande nahezu verehrt. Der Benutzung der traditionellen Bäder bedarf dabei eines streng eingehaltenen Rituals.

Frauen und Männer stets räumlich getrennt, wird sich zunächst nackt auf einem Schemel sitzend ausführlich geschrubbt und gewaschen, bevor es dann ab in das bis zu 42 Grad heiße Wasser geht. Da es direkt aus den unterirdischen Vulkanen entspringt, ist es voller wichtiger Mineralien – man behauptet, dass das regelmäßige Baden in den Onsen einer der Gründe sei, warum die Japaner so alt werden wie kein anderes Volk der Welt. Schon seit Jahrtausendenlieben die Menschen ihre Auszeit im heißen Wasser. Samurai-Kämpfer stiegen vor und nach dem Kampf ins heiße Bad.

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Die Magie des Wassers

Auch unter dem Satoyama Jujo liegt eine dieser berüchtigten heißen Heilquellen. Auf den meisten der Zimmer ist der Balkon oder die Terrasse mit einem hölzernen Kasten bestückt, der stets frisch mit dem heißen Zauberwasser befüllt ist. Natürlich so positioniert, dass man bei seinem heißen Bad unbeobachtet bleibt. Doch noch ist mir nicht danach – ich möchte erst einmal die Umgebung erkunden. Während sich die anderen, allesamt japanischen Gäste bereits in ihre »Home Wear« geschmissen haben, eine Art Schlafanzug, der in japanischen Hotels den Gästen für den Aufenthalt im gesamten Haus zur Verfügung steht, spazieren wir mit einer kühlen Cola aus dem »Getränke-Brunnen« den Berg hinauf.

Im Satoyama Jujo in den Japanischen Alpen darf geschlemmt und entspannt werden.

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Noch ein klares Indiz, warum wir nicht in den Alpen sein können: Rund ums Satoyama Jujo wächst Reis. Giftgrün und frisch – und er wird als einer der besten des Landes gehandelt! Die Felder sind Teil des »Farm-To-Table«-Konzepts, das das Haus betreibt. In einem kleinen Garten wird das Gemüse fürs Abendessen und Frühstück angebaut. Das Satoyama Jujo scheint der perfekte Gegenentwurf zu den hektischen Städten, die nach nur wenigen Stunden die Energie eines ganzen Tages zu rauben vermögen. Wie ein Zen-Garten, der die Eindrücke der letzten Tage sacken lässt. Wohin man blickt ist es grün, aus allen Ecken zirpt es. Ein kleines Eichhörnchen hüpft vorbei. Geteerte Wege führen durch den Wald – für mein Alpen-Wanderherz etwas zu geordnet. Sowieso: Japaner gehen gerne Over-equipped auf Outdoor-Tour – für einen Spaziergang zum nächsten Dorf sind die Wanderschuhe definitiv unnötig.

Im Satoyama Jujo in den Japanischen Alpen darf geschlemmt und entspannt werden.

Marie Tysiak

Doch so oder so tut die frische Luft gut. Und macht Lust aufs Abendessen. Frisch gestriegelt erscheinen wir pünktlich in dem dunklen Saal. Das andere Pärchen, das zur gleichen Zeit diniert, hat bereits an einem Tisch Platz genommen und winkt uns in ihrer Homewear strahlend zu. Wir lächeln verhalten zurück. Die japanische Etikette hatte mich auf vieles vorbereitet, aber auf das nicht. Dermaßen overdressed habe ich mich selten in einem Hotel gefühlt, und dabei trage ich ein legeres, luftiges Sommerkleid. Ich freue mich auf den Moment, wenn ich morgen einfach im Schlafanzug zum Frühstück tapsen kann. Wo sonst ginge das in einem Luxushaus?

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Vom Feld gleich auf den Teller

Die Köchin erscheint, verbeugt sich und erklärt uns im perfekten Englisch (nicht alle Angestellten im Satoyama Jujo sprechen Englisch) das Menü für den Abend. In einem riesigen Korb zeigt sie uns frisch geerntete Auberginen, Tomaten, auch ein Kürbis ist dabei. Doch das Besondere am Essen: der Reis! Denn für den ist diese Gegend berühmt. Sowieso, das Essen heute kommt fast vollständig aus der Gegend, der Fisch ist in den umliegenden Flüssen gefangen, das Wild gleich hinterm Haus im Wald geschossen.

Und dann geht es auch schon los! Die Küche ist sehr simpel, was sie gleichzeitig wieder sehr speziell macht: Pilze, die bis zum Schwarzwerden geschmort wurden, ein Auberginen-Sashimi (ja, aus roher Aubergine!), angemachte Gurke. Nach Gang 8, einer klaren Gemüsebrühe, bringt eine Kellnerin einen kleinen Gasherd, wie man ihn vom Camping kennt. Der Reis kocht, während wir das Reh in Preiselbeersoße schlemmen. Wir rühren hier und da um, dann piept die eigens dafür aufgestellte Eieruhr. Mit einem vorfreudigen Strahlen lädt die Kellnerin uns einen Löffel des »besten Reis Japans« auf.

Im Satoyama Jujo in den Japanischen Alpen darf geschlemmt und entspannt werden.

Marie Tysiak

Reis – von Zuhause kenne ich in als körnig, später fürs Sushi als pappig. Hier, im Satoyama Jujo, ist er es weder noch. Und er hat seinen ganz eigenen Geschmack, leicht süßlich. Wir nicken uns zustimmend zu, als die Kellnerin kommt, um die Teller abzuräumen. Er schmeckt tatsächlich sehr lecker – aber ich glaube, dass Reis-Liebhaber, wie die meisten Japaner es sind, diesen Wunderkörnern vermutlich noch mehr abgewinnen können. Dennoch, die Erfahrung bleibt einmalig, nicht umsonst wegen der begeisterten Köchin und den lieben Kellnerinnen. Das Satoyama Jujo ist fast nur von Frauen geführt.

Im Satoyama Jujo in den Japanischen Alpen darf geschlemmt und entspannt werden.

Marie Tysiak

Für den Abend haben wir uns das Highlight des Hauses vorgenommen: die Onsen natürlich! Sie speist neben den kleinen, privaten Badewannen nämlich auch ein gemeinsam genutztes (nach Geschlechtern getrenntes) Becken, das kaum grandioser gestaltet sein könnte. Nach meiner Waschprozedur trete ich aus dem hölzernen Gebäude auf die Terrasse. Auch wenn es drinnen ein Onsenbad gibt, das wahre Juwel befindet sich draußen. Spiegelglatt liegt der Pool da. Dampf steigt auf. Der Vollmond beleuchtet die umliegenden Berge, die atemberaubende Kulisse reflektiert im Wasser. Als ich in das warme Wasser gleite, scheint es, als wirke Magie, die meinem Körper und Kopf alle Sorgen nimmt. Vielleicht ist an der heilenden Wirkung ja doch etwas dran. Mich bekommt ihr jedenfalls hier nicht mehr so schnell weg. Ich lehne mich nach hinten und blicke in den Sternenhimmel über den Japanischen Alpen.

Im Satoyama Jujo in den Japanischen Alpen darf geschlemmt und entspannt werden.

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Infos und Buchung des Satoyama Jujo

Das Satoyama Jujo ist in eineinhalb Stunden Zugfahrt von Tokio entfernt und verfügt über 12 Zimmer und Suiten. Buchbar über DesignHotels. DZ ab ca. 320 Euro pro Nacht.

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Unsere Reise-Tipps zu Japan gibt’s hier.