Staub, Rauch und Abgase machen den Menschen in Kathmandu zu schaffen. Seit unsere Kolumnistin Susanne dort lebt, verlässt sie ohne Atemmaske nur selten das Haus. Hier erzählt sie, warum in Nepals Hauptstadt dicke Luft herrscht und was das für ihren Alltag bedeutet.
»Leider ist die Luft hier miserabel«, schrieb ich kürzlich einem Bekannten, als ich ihm per Messenger von meinem Leben in Kathmandu erzählte. »Ach, wirklich?«, fragte er erstaunt zurück. »Das hätte ich nicht gedacht. Kathmandu liegt doch etwas höher!« Das stimmt: 1.400 Meter trennen Nepals Hauptstadt vom Meeresspiegel. Aber wer sich die südasiatische Metropole deshalb immer als einen Ort mit klarer Sicht und frischer Brise vorgestellt hat, kann seine Illusionen begraben. Saubere Bergluft umweht vielleicht die Dorf-Tempel im Himalaya – Kathmandu jedoch trägt nicht ohne Grund den Spitznamen »Dustmandu«.
Staub- und Rauchwolken hängen fast das ganze Jahr über der Stadt und machen den Einwohnern das Leben schwer. An unbefestigten Straßen kann man die Schilder der Geschäfte kaum lesen, so viel Dreck hat sich auf ihnen abgelagert. Auch Produkte im Supermarkt sind häufig mit einer Staubschicht überzogen und sehen aus, als stünden sie seit Jahren unbeachtet im Regal. Seit ich hier lebe, verbringe ich viel Zeit damit, Dinge abzuwischen und Kleidungsstücke abzubürsten. Trägt man dunkle Jeans und fährt längere Strecken mit dem Motorrad, steigt man mit grauen Knien wieder ab – oder mit schwarzen, wenn die Hose, die man trägt, hell ist. Und nicht nur einmal habe ich nach einer solchen Fahrt meine Turnschuhe nicht wiedererkannt.
Einige staubbedingte Unannehmlichkeiten weiß ich inzwischen zu vermeiden: Mein Visier klappe ich auf so einer Piste zum Beispiel nicht noch einmal hoch, wenn mir warm unterm Motorradhelm wird. Geht nämlich schnell mal ins Auge. Dass ich Kontaktlinsen trage, macht die Sache nicht besser.
»Air Quality Index«: Fast immer im roten Bereich
Regelmäßig checke ich online den »Air Quality Index« für Kathmandu. Meist leuchtet mir dann eine rote Zahl jenseits der 150 entgegen. Rot bedeutet »ungesund« und hinter dem Wert verbirgt sich die Menge an Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält übrigens schon mehr als 25 Mikrogramm im Tagesmittel für bedenklich.
Manche meinen trotzdem, so schlimm sei das alles nicht. »Niemand muss in Kathmandu eine Atemmaske tragen«, gab kürzlich kein Geringerer als Nepals Premierminister KP Oli zum Besten. Der Zustand der Fahrbahnen habe sich entscheidend verbessert, die Stadt sei heute staubfrei. Häme und Wut waren ihm daraufhin sicher, viele Hauptstadtbewohner machten sich im Internet über seine realitätsferne Behauptung lustig. Auch ich fragte mich, unter welcher Glocke der Politiker eigentlich lebt, denn um Staub und maskierte Menschen zu sehen, muss ich nur mal kurz vor die Tür gehen.
Damit ist auch klar, was die Regierung gegen das Problem zu tun gedenkt: nicht viel. Dabei gäbe es so viele Bauarbeiten zu beenden, Schlaglöcher zu schließen und Straßen zu befestigen. Es liegt auch nicht an fehlenden finanziellen Mitteln, dass man nicht zielstrebiger anpackt. In der englischsprachigen Wochenzeitung »Nepali Times« las ich neulich Folgendes: Gegen Ende jedes Steuerjahres verschleudern die Ministerien übriggebliebene Gelder schnell noch für Schönheitsreparaturen, die gar nicht nottun, statt sie sinnvoll einzusetzen.
Staub ist aber nicht das einzige Problem, dicke Luft herrscht auch aus anderen Gründen: Tagtäglich schieben sich unzählige Fahrzeuge durch Kathmandus Straßen, von denen der Großteil die Abgasprüfung beim TÜV wohl nicht bestehen würde. Noch dazu werden Laub und Müll bis heute vielerorts einfach verbrannt. Der Geruch von Verkohltem kriecht mir häufig in die Nase, gern auch am Samstagmorgen, wenn ich gerade erst aufgewacht bin. Wobei es schon vorgekommen ist, dass ich mir nicht sicher war: Zieht da wirklich feiner Rauch durch unser Schlafzimmerfenster oder spielt mir meine Nase einen Streich?
Unterwegs in Kathmandu: Die Maske muss mit
Sehr real ist der Gestank an Straßenecken, an denen Mais über offenem Feuer geröstet wird. Um die Rauchschwaden mache ich, wenn möglich, einen großen Bogen. Die Frauen und Männer aber, die die Maiskolben verkaufen, sitzen stundenlang mitten im Qualm – und das ohne Atemschutzmasken. Der Anblick bedrückt mich, schließlich ist die Rauchbelastung enorm gesundheitsgefährdend: Feinstaub kann nicht nur gravierende Atembeschwerden auslösen, sondern auch in den Blutkreislauf gelangen und das Risiko für Herzinfarkte und Krebs erhöhen.
Ich habe mich längst daran gewöhnt, eine Maske zu tragen und sie regelmäßig auszutauschen. In jedem zweiten Geschäft kann man sie hier kaufen. Maske ist übrigens nicht gleich Maske: Bestenfalls sind sie wasch- und wiederverwendbar und haben einen »N90«- oder »N95«-Aufdruck. Das bedeutet, dass sie 90 oder 95 Prozent aller Feinstaubteilchen filtern können. Für den Notfall bekommt man hier auch überall einfache OP-Masken. Sie kosten zehn Rupien (acht Cent) das Stück und blockieren immerhin 80 Prozent der Feinstaubpartikel. Ökologisch vernünftig sind sie nicht, aber aus gesundheitlicher Sicht ist es besser, so eine Einwegmaske zu tragen, als sich gar nicht vor der verdreckten Luft zu schützen.
Monsun: Der Regen hält den Staub im Zaum
Für ein paar Monate im Jahr können die Menschen in Kathmandu aufatmen – in der Regenzeit nämlich, von Juni bis September. Der Monsunregen spült die Staubpartikel fort und nie ist die Luft besser als jetzt. Seit einigen Monaten stehen überall in Kathmandu Monitore, die die Luftverschmutzung in Echtzeit anzeigen. Zum ersten Mal, seit ich hierher gezogen bin, blinken an ihnen Werte auf, mit denen sogar die Weltgesundheitsorganisation einverstanden wäre.
So kommt es, dass ich bei anhaltend schlechtem Wetter nicht mehr automatisch schlechte Laune kriege. Und das kannte ich noch gar nicht von mir.
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