Die wunderschöne Landschaft der schottischen Highlands hat dazu geführt, dass Redakteurin Jasmin Faust bei ihrem ersten Aufenthalt dort einen Teil ihres Sprachschatzes verloren hat. Anfänglich jedenfalls. Mittlerweile hat sie ihn wiedergefunden. Unterwegs in den Highlands in Schottland.

»Es kann nur einen geben.« Das kommt mir in den Sinn und schon sehe ich Christopher Lambert auf einer sehr baufälligen historischen Ruine stehen, während er sein Schwert gen Himmel streckt.

Ich bin ein Kind der Filmwelt der 1980er- und 1990er-Jahre, jüngere Generationen mögen sich vielleicht nicht mehr an die Highlander-Trilogie erinnern, bei mir ist aber jede Szene schlagartig da. Und inmitten der grün-braunen hügeligen Landschaft der bezopfte Christopher Lambert mit seinem Silberblick. Gut, ich schweife ein bisschen ab.

Landschaft in den Highlands in Schottland

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Auf in die Highlands in Schottland!

Was der Filmtitel schon verrät: Ich bin in den Highlands. Oder besser auf dem Weg dahin. Irgendwo zwischen Edinburgh und Braemar, meinem Zielort in … Nun ja, den Highlands. Ich möchte mich jetzt schon einmal dafür entschuldigen, dass dieses Wort in diesem Text unverhältnismäßig oft vorkommt, aber es beschreibt die Landschaft eben in so einfacher wie auch treffender Art und Weise. Und die Landschaft, durch die ich fahre, sieht eben ziemlich genau so aus, als würde Christopher Lambert um seinen Kopf kämpfen. Oder wahlweise Mel Gibson mit schottischem Flaggen-Make-up um die Unabhängigkeit seines Volks. Braveheart ist übrigens auch ein Film aus den 1990er-Jahren.

Unterwegs eine kurze Warnung zu den »bumpy streets« vom Fahrer und schon schlängeln wir uns auf ebendiesen fast zwei Stunden lang vom Flughafen Edinburgh durch die schottische Landschaft. Sowohl »bumpy« als auch »schlängeln« sind hier durchaus wörtlich zu nehmen. Bei der Fahrt durch die atemberaubende Landschaft ist es zuweilen nötig, meinen Blick mal starr geradeaus auf den Hinterkopf des Fahrers zu halten, um meinem Magen ein bisschen Ruhe zu gönnen. Hier stelle ich schon einmal fest: Ich bin wahrscheinlich ein bisschen weniger abgehärtet als die Helden aus den Filmen. Das besorgt mich ein wenig, denn ich habe während meines Aufenthalts noch etwas sehr Spezielles vor, wofür ein bisschen (mehr) Überwindung nötig sein wird. Aber dazu komme ich noch.

Braemar, ganz nah am Sommersitz der britischen Königsfamilie

Die »bumpy streets« haben irgendwann ein Ende und ich erreiche Braemar, ein idyllisches 600-Seelen-Dorf mitten in den Highlands. Das Örtchen liegt in der schottischen Region Fife. Zurückgehend auf den namensgebenden Duke of Fife zieht sich die Region von der Ostküste bis in die Highlands und durfte sich in früheren Zeiten sogar mal als Königreich bezeichnen. Und die Monarchie zieht es immer noch hier hin, denn mitten in der schönsten Landschaft liegt Balmoral, der Sommersitz der britischen Königsfamilie. Und gerade die verstorbene Queen Elizabeth ist hier sehr gerne hingekommen. Hier hat sie sich frei gefühlt, sagt man. Ein Blick auf die Weite der Landschaft und ich weiß genau, was sie meint. Auch fernab eines Lebens mit königlichem Hofprotokoll und royalen Pflichten.

Ihre Liebe für Schottland hat Queen Elizabeth wahrscheinlich schon von ihrer Ur-Ur-Großmutter Queen Victoria. Und sie an ihren Sohn, den heutigen King Charles, weitergegeben.

So kann es durchaus mal vorkommen, dass einem beim Wandern ein älterer Herr entgegenkommt, der einem vielleicht irgendwie bekannt vorkommt. Kleiner Funfact nebenbei: King Charles trägt bei seinen Aufenthalten in den Highlands fast ausschließlich einen Kilt, erzählt man mir später. Ich finde, das macht es vielleicht ein bisschen leichter, die Begegnung einzuordnen, und beschließe, bei meinen Wanderungen mal die Augen offen zu halten.

King Charles im Kilt

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King Charles im Kilt und die berühmten Highland Games

Ob es nun wirklich nur einen Highlander geben kann, weiß man hier nicht so richtig, aber Geschichten zum und mit dem Königshaus hat in Braemar jeder. Irgendwer hat schon mal auf Balmoral gearbeitet oder kennt zumindest jemanden sehr gut, der der Queen vielleicht mal die royale Garderobe herausgelegt hat. In Restaurants und Pubs weiß man von spontanen Besuchen der Palastbewohner zu berichten und spätestens beim jährlichen Event der Superlative wird’s königlich, denn das kleine Örtchen ist Austragungsort der jährlichen Highland Games, dem sogenannten »Braemar Gathering«. Und das gilt als das traditionsreichste Event Schottlands. Baumstämme und Hämmer werfende Schotten, die sich darüber hinaus auch im Steinstoßen und Sackhüpfen messen, werden dort von der königlichen Familie aus ihrer Loge heraus bejubelt.

Zurück zu meinem Besuch. Ich bin zwar nicht zum Sackhüpfen da, wohl aber für die Landschaft und ihre Ruhe. Wandern, Berge gucken, wandern, Berge gucken, so ist mein Plan für die nächsten Tage. Eigentlich ganz einfach. Und doch wird daraus gegen Ende meiner Reise eine Art Selbsterfahrung, mit der ich so nicht gerechnet hätte. Es ist meine erste Reise nach Schottland. Und eins kann ich nach den ersten Minuten schon sagen: Es ist genau so, wie ich es mir nach diversen Kinofilmen vorgestellt habe. Und sogar noch ein bisschen schöner.

Schloss in den Highlands in Schottland

Martin Bennie

Auf Wanderschaft zum Berg Morrone, atemberaubende Aussichten inklusive

Meine erste Wanderung führt mich durch das kleine Örtchen und wieder hinaus. Was nur wenige Wimpernschläge dauert, weil Braemar eben so klein und beschaulich ist. Für mich ist es gerade genau das Richtige. Ich will Ruhe, Weite und Natur. Endlich mal wieder durchatmen, was im Stadtalltag eben nicht so einfach möglich ist. Ich freue mich auf Wanderungen, Aussichten und viel frische Luft. Und hier enttäuscht mich Schottland absolut nicht. Gefühlt fünfmal geblinzelt und schon stehe ich auf dem Berg Morrone auf fast 859 Metern Höhe. Na ja, es hat ein bisschen mehr Mühe gekostet, als fünfmal zu blinzeln, aber die Aussicht ist jede Mühe wert.

Queen Victoria hat hier oben gerne mit Prinz Albert gesessen und eben genau diesen Blick genossen, den ich auch gerade sehe.

Ein bisschen fühle ich ihren Geist, bilde ich mir ein. Wer übrigens weniger etwas von dieser Aussicht hat? Die Bergläufer des »Braemar Gathering«. Die müssen hier nämlich bestenfalls in Rekordgeschwindigkeit hoch- und wieder herunterlaufen. Ich bin froh, dass ich mir meine Wandergeschwindigkeit selbst aussuchen kann, und genieße jeden Schritt und Tritt. Ich frage mich, ob es noch schöner werden kann. Ja, kann es. Das wird mir Annie Armstrong am nächsten Tag zeigen.

Landschaft in den schottischen Highlands

Jasmin Faust

Unterwegs im Cairngorm-Nationalpark

Annie hat Zoologie in St. Andrews studiert, ja, dort, wo Prince William auch studiert und seine Kate kennengelernt hat. Annie hat schon als Kind die Wälder der Highlands erkundet. Ihre Liebe zu der Natur, den Outdooraktivitäten und der schottischen Kultur brachte sie dazu, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Mit »Wild Braemar« kann sie nun all ihre Leidenschaften verbinden und vermitteln. So nun auch mir.

Wir wandern erst ein Stück durch die wunderschöne Landschaft an den Ausläufern des Cairngorm-Nationalparks. Gefühlt brauche ich ewig für diese kurze Wanderung, weil ich einfach alle paar Meter stehen bleiben und mich kneifen muss, dass ich das gerade erleben darf. Ich atme immer wieder tief durch. Mehr als atmen, kneifen, gehen und mich umschauen muss ich gerade nicht machen. Und das tut so gut. Wenn mir nicht immer wieder kurz durch den Kopf schießen würde, was Annie und ich heute noch vorhaben.

Annie ist nämlich auch qualifizierter Open-Water- Swimming-Guide. Im Film Highlander wird Christopher Lambert von Sean Connery im Rahmen seiner Ausbildung zum Unsterblichen (ja, ich bin mir bewusst, wie das klingt, wenn man den Film nicht kennt) von einem Boot in einen See geschubst. Der Highlander kann nicht schwimmen, aber eben auch nicht sterben. Also geht er auf dem Grund des Sees spazieren und genießt die Aussicht. So wie ich gerade, nur halt unter Wasser. Kalt scheint ihm dabei nicht zu sein. Vermutlich, weil er es, wie Annie, schon seit der Kindheit gewohnt ist, in Gebirgsflüssen und- seen zu baden.

Landschaft in den schottischen Highlands

Jasmin Faust

Wild Swimming im eiskalten Fluss

Im Gegensatz zu mir. Bei vier Grad Außen- und Wassertemperatur muss ich schon ein bisschen überlegen, ob mir wirklich nach einem Bad zumute ist. Und das, obwohl Annie alles so schön hergerichtet hat. Da ist ein gemütliches Zelt mit einem kleinen Ofen, vielen Kissen, Büchern und Decken. Hier könnte ich schon ein paar Tage verbringen. Nebenan ein zu einer Sauna umgebauter Pferdeanhänger. Beides an einem wunderschönen Flusslauf inmitten der Berge.

Und genau in diesem Flusslauf soll ich nun schwimmen gehen. Wandern und saunen, kein Problem. Aber Wild Swimming bei ein bisschen Schneetreiben? Ich bin unsicher.

Aber weil ich schon mal da bin, überwinde ich mich. Recherche für diese Story muss ja schließlich auch sein. Ich nehme also allen Mut zusammen, spüre meinen inneren Highlander und tauche bis über die Schultern ins kalte Wasser. Dabei halte ich mit dem ersten Kälteschock die Luft an, erinnere mich, dass Atmen eine ganz gute Idee wäre, und beginne irgendwie hektisch zu hecheln. Ich merke kaum, dass mein Bewegungsapparat schon aus dem Wasser flüchtet. Nicht so richtig glamourös, aber ich bin sicher, darauf schaut hier gerade niemand. Ist ja auch mein erstes Mal.

Frau beim Wild Swimming im Wasser

Vladimir Fedotov

Immerhin traue ich mich zweimal. Doch eins steht bei aller Liebe zu schottischen Traditionen fest: Mein neues Hobby wird es wahrscheinlich nicht werden. Ich bin eher der Warmwassertyp. Aber ich bin auch ein bisschen Highlander(in). Nur halt ohne Schwert, Baumstammwerfen und Kampfeslust. Damit kann ich aber gut leben.

Mehr Infos zu den Highlands in Schottland

Hier gibt es weitere Informationen zu Schottland und der Region Fife.

Schlafen. Das Fünf-Sterne-Hotel The Fife Arms lebt den schottischen Charme mit royalem Touch und steckt bis in die kleinste Ecke voller Kunst. DZ ab € 658.

Touren. Annie Armstrong bietet mit ihrem Unternehmen »Wild Braemar« geführte Wandertouren und andere Outdoor-Experiences an.

deftiges Essen in Schottland

Eaters Collective