Es müssen nicht immer die Eifel und das Sauerland sein: Der rheinland-pfälzische Hunsrück ist der ideale Ort, um weit weg vom Touristenrummel im Grünen zu entspannen, zu wandern und zu schmausen. Eine schöne Gegenwelt zur Hektik vor der eigenen Großstadttür. Aber wie sieht er aus, der Urlaub im Hunsrück? Ein Besuch.

Im Laufe des Lebens ändern sich bekanntlich die Geschmäcker. Das gilt auch und gerade fürs Verreisen. Das war bei mir nicht anders. In den letzten Jahren habe ich eine immer stärkere Vorliebe für Gegenden in Deutschland entwickelt, die man einsam nennen könnte. Gegenden, bei deren Erwähnung meine Freunde vor lauter provinziellem Charme gelangweilt ins Leere schauen. Oder gar mit den Augen rollen. Neulich, da war es wieder so weit. Da saß ich mit meiner guten Freundin Katrin bei einem Cappuccino bei unserem Lieblingsitaliener und berichtete ihr vor meiner geplanten Reise in den Hunsrück. »Urlaub im Hunsrück? Was willst du denn da?«, fragte sie mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen.

Nun muss man sagen, Katrin ist eine Großstadt-Jetsetterin. Auf der Oxford Street in London shoppen oder in einem schicken Restaurant im Pariser Marais-Viertel dinieren, das ist ihr Ding. Ich erzählte ihr, dass ich Menschen und Regionen mag, die bodenständig sind. Wo es kein Chi-Chi gibt und keine Touristen, die sich gegenseitig auf die Füße treten. Ein Urlaub im Hunsrück, dachte ich, ist eine gute Idee.

Wandern im Hunsrück am Schloss Baldenau

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Urlaub im Hunsrück: Ganz viel Mittelgebirge im Angebot

Die Region zwischen Kell am See im Süden und Emmelshausen im Norden hat eine Fläche von  4.444 Quadratmeter, liegt im Herzen von Rheinland-Pfalz und hat ganz viel Mittelgebirge im Angebot. Auf der Landkarte kann man die Gegend ziemlich leicht ausfindig machen: Geografisch wird der Hunsrück von den Flüssen Rhein, Mosel und Nahe umzingelt, im Südwesten bildet das Saarland die Grenze.

Von Köln aus geht’s flott Richtung Bonn, von dort hinunter über die A61 nach Koblenz. Rund 50 Kilometer südwestlich von Koblenz beginnt meine Geschichte von grünen Wäldern, unendlich vielen Wanderwegen, einer überraschend erstklassigen Küche – und einer Brücke. Die Rede ist von der Hängeseilbrücke Geierlay, der mittlerweile größten Touristenattraktion im Hunsrück. Sie gehört natürlich auf mein Besuchsprogramm. Und zwar als Allererstes.

Menschen auf der Hängebrücke Geierlay im Hunsrück

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Auf Schusters Rappen zur Hängeseilbrücke Geierlay

Bevor ich aber über die Brücke stolzieren darf, geht es erst einmal über Wald und Wiese. Denn die Geierlay hat sich im Wald versteckt, im Mörsdorfer Bachtal. Ein Auto darf sich ihr nicht nähern. Jedenfalls nicht das eines schnöden Touristen wie mir. Rund zwei Kilometer von der Brücke entfernt, haben die Mörsdorfer einen Schotterparkplatz in ihre Dorfmitte gepflanzt.

Eine Zwei-Euro-Schranke hält Gratisparker davon ab, ihr Glück zu versuchen. Nebenan ist ein Besucherzentrum gebaut worden. Im Foyer wird auf Informationsbildschirmen die Geschichte der Brücke erzählt. Eine Gruppe aus den Niederlanden steht Schlange vor den Toiletten. Huch, was haben wir denn da? Eine Webcam, die einen Blick auf die Geierlay und den Brückenkopf Mörsdorf erlaubt. Schön leer sieht es aus. Habe ich die Brücke etwa für mich allein? Ich will nicht länger warten. Nun aber los. Die Aufregung steigt. Denn heute … heute bin ich Geierlay.

Hortensien-Strauch

Sean McGown

Bevor ich die Brücke in Augenschein nehmen darf, geht es erst einmal durchs Dorf und übers Feld. Vorbei an frisch rasiertem Grünrasen, akkurat geschnittenen Hortensien und gackernden Freilandhühnern. Es scheint so, als habe der Dorf-Bürgermeister den Einwohnern ins Gebetsbuch geschrieben, dass sich Mörsdorf den vielen Besuchern doch bitteschön von seiner schönsten Seite zu zeigen habe. Und wer schon einmal in einem kleinem Dorf wie Mörsdorf – dort also, wo jeder jeden kennt – gelebt hat, der weiß: Was der Bürgermeister verlangt, sollte man besser beherzigen …

Nicht jeder traut sich über die Brücke

Nach einem rund 20-minütigen Fußmarsch erreiche ich endlich die Brücke. Es ist Freitagnachmittag, und der Himmel sieht so aus, als wolle er gleich ein paar Tropfen in Bewegung setzen. Ganz allein bin ich leider nicht. Aber immerhin: Nur rund zwei Dutzend Besucher marschieren über die Brücke, hinüber in den Nachbarort Sosberg. Ebenso viele Leute sitzen auf Bänken an den Brückenköpfen und blicken verträumt auf das architektonische Wunderwerk. Manche allerdings, so scheint es, haben überhaupt nicht die Absicht, auch nur einen Fuß auf die Brücke zu setzen. »Geht ihr mal, ich warte hier«, hört man hier oft, sagt Iris Müller, die beim Hunsrücker Touristikverband arbeitet. Auswertungen der Live-Cam haben ergeben, dass jeder fünfte Besucher keinen Fuß auf die Brücke setzt.

Hängeseilbrücke in Geierlay

Jonathan Klok

Das aber kommt für mich nicht infrage. Ein kleiner Adrenalinkick darf es schon sein. Mein Blick schweift in den wolkenverhangenen Himmel, wo sich die Sonne immer wieder einen freien Platz erkämpfen muss, wandert hinüber zu dem Meer an Fichten, welches die Geierlay umkreist. Als ich in der Mitte der Brücke stehe, ist es plötzlich still. Ganz still. Rund 100 Meter unter mir wandert eine Truppe durchs Tal. Einige Wanderer winken mir zu. Ich schließe die Augen und genieße diesen Augenblick. Das Majestätische, das Erhabene, das die Brücke ausstrahlt, überträgt sich ganz langsam auf mich. Am liebsten würde ich bleiben. Mir eine Liege und einen Cocktail schnappen und ein paar Stunden chillen, ganz allein, und einfach nur diesen Moment genießen. Das wäre ein perfekter Start für den Urlaub im Hunsrück.

Umgebung der Hängebrücke Geierlay

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Eine Touristengruppe aus Holland ist auch schon da

Aber spätestens, als Petrus ein paar Tropfen vom Himmel schickt, suche ich das Weite. Mein Magen hat überdies mit einem Knurren zum Besten gegeben, dass er hungrig ist. Gleich neben dem Besucherzentrum gibt es ein kleines Café mit Selbstbedienung. Ein Latte Macchiato mit einem Stück Kuchen, das wäre es jetzt. Im Biergarten sitzt eine vierköpfige Gruppe aus Holland. Petra und Susanne aus der Nähe von Venlo, zwei Damen in den Vierzigern ergreifen das Wort. »Wir kommen jedes Jahr hierher. Einem Freund von uns aus Holland gehört hier in der Nähe ein Campingplatz. Den besuchen wir mindestens einmal im Jahr«, sagt Petra.

Dieses Jahr, da haben sie zehn Mitglieder aus ihrem örtlichen Schauspielerverein mitgebracht. Was sie am Urlaub im Hunsrück mag?

»Man ist mit dem Auto doch wunderbar schnell von Venlo aus hier und hat ganz viel Natur und viele Berge«,

sagt sie. Die Männer am Tisch schweigen. Was gefällt ihnen denn am besten, hier im Hunsrück, möchte ich wissen. »Das Bier«, sagt einer der beiden und gönnt sich unter lautem Gegacker seiner Freunde einen weiteren Schluck Pils.

Wandern im Hunsrück: Da gehört eine Pause mit einem frischen Pils einfach dazu

Dominik Ketz

Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Am nächsten Tag erkunde ich eine weitere Attraktion der Region: den Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Genauso wie die Hängebrücke Geierlay wurde der Nationalpark erst 2015 eröffnet. Rund 10.000 Hektar ist er groß. In seinen Werbebroschüren verspricht der Park, »geheimnisvoll, magisch und imposant« zu sein, ohne mit seinen Alleinstellungsmerkmalen hinter dem Berg zu halten: Altholzreiche Buchenwälder, Moore, Rosselhalden sowie Arnika- und Borstgraswiesen und das größte Wildkatzenvorkommen Mitteleuropas gibt es hier.

Wer Flora und Fauna nicht auf eigene Faust entdecken möchte, für den hält der jüngste Nationalpark Deutschlands einige Rangertouren bereit. Das Schöne: Diese richten sich an Einzelgäste sowie Familien und sind kostenlos.

Mit einem Ranger durch den Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Dominik Ketz

Man findet sich einfach zu den Terminen an den Treffpunkten ein, um einen Ranger auf einer Kontroll- und Beobachtungstour zu begleiten. Das Angebot der wöchentlichen Thementouren kann sich sehen lassen: Es gibt Gipfel-, Kelten-, Felsen-, Wildkatzen-, Insel-, Grenz- und Waldtouren. Hinzu kommen Dutzende Erlebnistouren. Die Ranger des Parks verstehen sich als Hüter von Mutter Natur, denn das Credo des Parks ist es, »Natur Natur sein zu lassen«. Dazu gehört es, dass die Ranger ihr Wissen und ihre Kenntnisse über Botanik, Geologie und ökologische Zusammenhänge an interessierte Besucher weitergeben. Hinzu kommen für Gruppen und Vereine Dutzende buchbare Touren mit zertifizierten Nationalparkführern. Für diese Touren müssen allerdings ein paar Euro auf den Tisch gelegt werden.

Aussicht vom Erbeskopf

Eike Kunz

Treffpunkt am Fuße des Erbeskopf

Ich entscheide mich für eine Rangertour am Samstagnachmittag. Treffpunkt ist das Hunsrückhaus am Erbeskopf. Der Erbeskopf ist der höchste Berg in Rheinland-Pfalz. 816 Meter ragt er in den Himmel. Auf dem Parkplatz am Fuße des Berges tummeln sich am frühen Vormittag nur wenige Besucher. Eine junge Männertruppe, allesamt Mitte 20, hat es sich mit einem Kasten Bier gemütlich eingerichtet. Auf eine Tour durch die Natur haben sie es nicht abgesehen. Ihr Ziel: der Abenteuer-Kletterwald »Highlive« am anderen Ende des Parkplatzes, von wo bereits lautes Freudenjauchzen zu vernehmen ist. »Und danach ab zur Erkundungstour in den Nationalpark?«, frage ich neugierig. »Nö. Nur Action im Kletterwald«, antwortet ein Teilnehmer, schnappt sich den Kasten Bier und zieht mit seiner Truppe zum Kassenhäuschen des Kletterwaldes.

Die Windklangskulptur auf dem Erbeskopf

Gabriele Frijio

Ranger Stefan Roth, Anfang 40, wartet derweil bereits am Eingang des Hunsrückhauses. Wie viele Teilnehmer ihn heute bei seiner Tour begleiten werden, weiß er noch nicht. »Mal schauen, ist immer unterschiedlich von Tour zu Tour«, sagt er und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Die Sonne brennt heute ordentlich. Auch wenn es im Hunsrück in den Sommernächten deutlich abkühlt, tagsüber können in der Region locker über 30 Grad erreicht werden. Schließlich findet sich noch eine sechsköpfige Familie mit Kind und Kegel ein. Unsere zweieinhalbstündige Wanderung durch den Nationalpark kann beginnen.

Weg mit der Fichte, her mit der Buche

Roth marschiert vorneweg und steuert auf den Waldrand zu. Der Rest der Truppe trottet hinterher und lauscht seinen Erläuterungen. Die Fichte, die muss zugunsten der Buche zurückgedrängt werden, sagt er. Die ehemaligen Moore im Park sollen wieder in ihren natürlichen Zustand versetzt werden. Und dabei stört die Fichte. Im Wald geht es vorbei an Douglasien, Birken, Buchen, Pfeifengras und überraschend vielen Fingerhüten. Am Boden wuchert üppig der Adlerfarn. Die Tour ist, so viel sei der Ehrlichkeit halber verraten, ziemlich unspektakulär. Aber für einen Stadtmenschen wie mich, der schon Probleme hat, eine Eiche von einer Douglasie zu unterscheiden, ziemlich lehrreich.

Wandern im Hunsrück: Unterwegs im Hahnenbachtal

Dominik Ketz

Letzter Stopp, verkündet Roth: ein Moor. Plötzlich wird er ernst. »Mir wäre es sehr recht, wenn Sie alle hinter mir bleiben«, sagt er. Der Boden wird sumpfig. »Sie sehen, Distel, Adlerfarn und Pfeifengras wachsen hier. Das ist kein gutes Zeichen mit Blick auf den Zustand des Moores«, erläutert er. Stattdessen sollen moortypische Tier und Pflanzen hier wieder gedeihen. Deshalb seien mehrmals im Jahr freiwillige Helfer im Moor unterwegs und verschließen die Kanäle, wo derzeit noch das Wasser abfließt. Man wolle das Moor wieder hinbekommen, wie es einmal war. Ob es jemals gelingen wird, das steht in den Sternen …

Keine Frage, der Nationalpark Hunsrück-Hochwald ist ein noch ganz junges Baby. Der Urwald, der er einmal werden soll, ist er noch lange nicht. Das wird noch Jahrzehnte dauern. Aber wie Ranger vom Schlage eines Stefan Roths die zarten Anfänge eines Nationalparks mit all seinen Folgen erklären, das begeistert nicht nur Naturfreunde.

Auf der Traumschleife Kirschweiler Festung im Hunsrück

Dominik Ketz

In Neuhütten gibt es einen Gourmettempel: »Le temple«

Wer sich wie ich in die Idylle des Nationalparks verliebt hat, muss ihn in der Nacht nicht verlassen. Ich fahre los, durchstreife die Dörfer des Nationalparks. Kein Mensch weit und breit, nur ein paar Kühe auf den Wiesen. Es versteht sich von selbst, dass in dem Park keine Hotel-Bettenburgen zu finden sind. Dafür gibt es aber einen Gastgeber, der eine erstklassige Küche bietet. Oliver Schäfer ist sein Name. Gemeinsam mit seiner Frau Christiane Detemple-Schäfer betreibt er in dem 800-Seelendorf Neuhütten ein kleines Hotel, das den vielversprechenden Namen »Le Temple« trägt.

Seit 1992 schon kochen und brutzeln die beiden in dem Gourmetrestaurant. 1994 gab es den Ritterschlag durch die Tester von Michelin: Ein Stern funkelt seitdem über der Küche. Ununterbrochen. Seit 23 Jahren.

Sternerestaurant Le Temple im Hunsrück

Frank Störbrauck

Kaum zu glauben, diese erstklassige Küche im Nirgendwo

Überraschend leer ist das Restaurant am Samstagabend. Gerade einmal vier Tische sind belegt. Der Kellner, in schwarzer Hose und schwarzer Weste, flitzt routiniert von Tisch zu Tisch. Ich nehme auf der Terrasse Platz, lasse mich in den Stuhl fallen, genieße einen ersten Schluck Spätburgunder aus der Pfalz und sehe dabei zu, wie die Sonne hinter den Fichten zerrinnt.

Spätburgunder aus Rheinland-Pfalz bei Sonnenuntergang

Dominik Ketz

Und dann geht es auch schon los, das Feuerwerk aus der Küche. Mit einem köstlichen gebackenen Wachtelei, garniert mit geräuchertem Kaviar; gefolgt von einem Vitello Tonnato, kunstvoll verziert mit Kalbscreme- und Rucolapesto-Punkten. Als Hauptgang ein Steinbutt mit Jakobsmuscheln auf Fregola-Risotto mit Brunnenkressesauce – ein Gedicht. Hinreißend auch das Dessert, bestehend aus gepopptem Maiseis, Mirabellengelee und Erdbeer-Crunch mit Langpfeffer. Schlichtweg unübertrefflich. Ich kann es kaum fassen, eine solche exquisite Küche hier, in den Tiefen des Hunsrücks, kredenzt zu bekommen.

Am nächsten Tag endet mein Urlaub im Hunsrück. Aber ich will noch nicht mit meinen Gedanken beim Kofferpacken sein. Hinter geschlossenen Augen zieht die Reise an mir vorüber. Weil ich die Natur, die Stille und die Einsamkeit im Hunsrück so intensiv erlebt habe, habe ich auch unzählige Eindrücke aufgenommen. Ich spüre, dass mir als Stadtkind ein Wochenende frei von Metropolenhektik mehr als guttut. Bis zum nächsten Mal, Hunsrück!

Wanderung durch die Kirschweiler Festung in Rheinland-Pfalz

Dominik Ketz

Info. Hunsrück-Touristik GmbH, Gebäude 663, 55483 Hahn-Flughafen, Telefon: +49(0) 6543 – 50 77 03. Weiter Informationen über die Region gibt es in unserem Reise-Guide Hunsrück.

Übernachtung. Hotel Restaurant Birkenhof, Birkenweg 1, 55469 Klosterkumbd bei Simmern. Telefon: +49 (0)6761/95400

Le Temple, Saarstraße 2, 54422 Neuhütten, Tel.: +49 (0) 65 03 76 69.