Der philippinische Archipel in Südostasien ist wunderschön: Traumstrände, Regenwald, eine farbenfrohe Unterwasserwelt und lebensfrohe Menschen. Kein Wunder also, dass sich Redakteurin Marie Tysiak nach ihrem Abitur in das Inselreich verliebte, dort lebte und liebend gern dorthin zurückkehrt. Diesmal führte ihr Flug in den Süden des Landes nach Mindanao. Ein Besuch in Davao zwischen Paradies und Politik.
»Bääh.« Ich kann mir einen leicht angewiderten Kommentar nicht verkneifen, als der Marktverkäufer meine frisch gekaufte Durian mit seinen kräftigen Händen in zwei Häften teilt. Ein penetranter Geruch geht von der Frucht aus, besonders appetitlich sieht ihr Inneres auch nicht aus. Ein paar Teenies haben sichtlich belustigt einen Kreis um uns gebildet und kichern. Ihre dunkelbraunen Schokoladenaugen beäugen mich neugierig.
Mit einer ermutigenden Geste hält mir der Mann die Frucht hin, ich traue mich und nehme ein Stück des gelben Fruchtfleischs aus der großen stacheligen Schale. Mir ist sofort klar, wieso man sie im Volksmund »Stinkefrucht« nennt, warum ihr Transport in Flugzeugen und manchen Bussen untersagt ist. Durian müffelt. Der Geruch ist schwer in Worte zu fassen – faul, fruchtig und frisch zugleich –, und er liegt so schwer in der feuchten Luft, dass ich kaum noch atmen mag.
Der König der Früchte
»King of the Fruits« nennen die Menschen in der Davao-Region der Philippinen diese Frucht. Man ist stolz auf sie, schließlich wird das Super-Food auf den Philippinen nur hier auf der Insel Mindanao angebaut. Um dann als Curry verkocht oder zu Eis, Kuchen, Marmelade und allen anderen möglichen Speisen weiterverarbeitet zu werden. Oder eben beim Straßenhändler unter bunten Markisen zwischen Bergen tropischer Köstlichkeiten frisch verzehrt zu werden. Ich beiße in die gelbe Masse und vergrabe meine Zähne in dem harten Kern darunter.
Das Gelächter der Teenies wird lauter – ich lasse mich von dem Gestank und der ungewollten Aufmerksamkeit nicht ablenken. Mein Fazit: Es schmeckt scheußlich. Nichts, was man freiwillig und zum Genuss essen möchte. Selbst auf den Philippinen scheiden sich die Geister, wenn es um den Durian-Geschmack geht.
Die schönste Stadt des Landes
Doch worüber sich alle Filipinos einig zu sein scheinen: welche die schönste Stadt des Landes ist. Einstimmig hallt es da »Davao City«. In Europa hat man selten etwas von dieser City gehört, dabei ist sie eine der größten Städte der Welt. Flächenmäßig. Da schlägt sie mit knapp 4.000 Quadratkilometern selbst New York. Doch nur gut 2,5 Millionen Einwohner bewohnen diese Fläche. Kein Wunder also, dass inmitten der Stadt Bananen, Ananas, Kakao und Kaffee – und eben auch Durian – gedeihen. Wenn ich mich an dem kleinen Obststand umsehe, wundert es nicht, dass man Davao auch gerne als »Fruit Basket of the Philippines« bezeichnet. Kaum anderswo sind die Mangos süßer, die Pomelos saftiger – naja, und die Durians stinkiger.
Kaum eine asiatische Mega City lohnt den Besuch
Dass man in Europa kaum von dieser Stadt gehört hat, hat vor allem zwei Gründe. Erstens: Nur wenige südostasiatische Mega-Citys lohnen sich für einen Städtetrip – wenn man vielleicht mal von Singapur und Saigon absieht. Da tanzt leider auch Davao City nicht aus der Reihe. Aber man muss zugeben: Die Stadt ist anders. Sauberer. Geordneter.
Und doch versprüht sie die philippinische kreative Lebenskunst und Herzlichkeit, die beim ersten Betrachten purem Chaos gleicht. Beim genaueren Hinsehen fällt auf: Hier sind die Motorradfahrer, die sich durch das Gewirr aus Fahrradtaxis und bunten Jeepney-Bussen schlängeln, zum Helmtragen verpflichtet. Rauchen ist auf der Straße nur in bestimmten Bereichen gestattet. Es herrschen Anti-Diskriminierungsgesetze für Homosexuelle. Weitaus weniger Kinder gehen betteln (als beispielsweise in Manila oder Cebu). Man sieht kaum Müll am Wegesrand. Doch all dies hat seinen Preis – und dahinter steckt kein anderer als Rodrigo Duterte, der heutige Präsident der Philippinen.
Ein Bürgermeister räumt auf
Zum zweiten Grund komme ich später. Von meinem Durian-Schock erholt, schlendere ich mit einer frischen Kokosnuss in den Händen die Straße entlang. Der Obstverkäufer hat sie mir mit einer Machete aufgeschlagen, mit einem Strohhalm trinke ich den frischen Saft also gleich aus der noch grünen Nuss. Ein paar der Teenies folgen mir, weiterhin kichernd. Ich biege in den Peoples Park ein, gegenüber der St.-Pedros-Kathedrale, der Hauptgemeinde von Davao.
Wie so vieles in der Stadt, geht auch dieser Park auf das Werk von Duterte zurück. 22 Jahre lang war er Bürgermeister seiner Heimatstadt, heute regiert sie seine Tochter. Radikal ging er gegen Kriminelle und Straßenkinder vor, kein Mittel war ihm unrecht, um »für Ordnung zu sorgen«. Nach dem Vorbild, mit dem er Davao an die wirtschaftliche Spitze des Staates gepusht hat, verspricht er seinen Anhängern im Land, nun die gesamten Philippinen »erfolgreicher« zu machen. Berichte über seine Methoden und Kontroversen sind mittlerweile ja auch zur Genüge nach Europa geschwappt.
Philippinische Lebensfreude in Davao
Durch den »Durian-Dome« – eine gigantische Kuppel in Durian-Form – trete ich in den grünen Park. Kinder spielen, während ihre Mütter lachend und auf dem Smartphone tippend auf den Bänken sitzen. Kunstskulpturen verteilen sich im Park. Doch: Alleine für einen Städtetrip lohnt sich Davao nicht. Aber die Stadt ist ein idealer Standort für Erkundungen ins Umland, denn eigentlich ist die südlichste Hauptinsel der Philippinen wie die Seele des Landes: Der höchste Gipfel, der Mount Apo, ragt im südlichen Stadtgebiet mit seinen knapp 3.000 Metern in den blauen Himmel.
Traumhafte Wasserfälle rauschen im dschungeligen Inland, die Obst und Reis-Plantagen zählen zu den wichtigsten im Land. Und natürlich warten unzählige palmenüberladene Traumstrände mit perfekten Surferwellen darauf, erkundet zu werden. Die lebensfrohen Filipinos, die am Abend bei Karaoke und Bahalina (bitterer Kokosnusswein) beisammensitzen, versprühen Gastfreundschaft und Fröhlichkeit pur. Fast an jedem Wochenende feiert die ganze Stadt bei einer Fiesta – der Partyhöhepunkt ist in Davao Mitte August, wenn während des Kadayawan-Festivals traditionell kostümierte Tanzgruppen durch die Straßen paradieren.
An Bord der Bangka
Natürlich lasse ich mir das paradiesische Umland nicht entgehen. Deswegen steige ich am nächsten Tag vom St. Ana Pier in Davao aus in eines der wackeligen Boote gen Samal Island. Das Wetter könnte nicht traumhafter sein fürs Inselhopping. Die Sonne knallt vom strahlend blauen Himmel, eine leichte Brise sorgt für Erfrischung. Außerdem sind kaltes San-Miguel-Bier und Cola an Bord, aufgeschnittene Mangos laden zum Naschen ein. Knatternd nimmt die Bangka Kurs auf die vorgelagerte Trauminsel. Dicke Bambusstämme stützen das traditionelle Fischerboot zu beiden Seiten, Gischt spritzt mir ins Gesicht. Das Motorgeräusch übertönt alle Gedanken, wie ein Fliegenfisch flitzen wir über das tiefblaue Wasser. Das palmenüberladene Ufer hinter uns verschwimmt zu einem grünen, wilden Horizont. Dafür nimmt vor uns Samal Island Form an, erste Felsformationen ragen aus dem Wasser. Kurz vor der Ankunft im Pearl Farm Beach Resort halten wir an einem schwimmenden Haus.
Das Inselparadies wartet
Die Wände offen, schaukelt es auf einer kleinen Holzplattform in den seichten Wellen. »Willkommen im Taclobo Giant Clam Sanctuary« ruft uns der Mann in lässiger Badehose und Flip-Flops zu, der sich von seinem Plastikstuhl auf der schmalen »Terrasse« des schwimmenden Hauses erhoben hat. Und wedelt mit einer Handvoll Schnorchelbrillen. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ein Sprichwort besagt: »Wer die Philippinen nur von oberhalb der Wasseroberfläche gesehen hat, hat nur die Hälfte von ihnen gesehen.« Und Taucher wissen: Die Unterwasserwelt der Philippinen ist ein Ebenbild der Schönheit der Inseln über dem Meeresspiegel. Wild, bunt, artenreich – und jede der 7.641 Inseln ein wenig einzigartig. An manchen Tauchspots schauen Walhaie vorbei, an anderen Meeresschildkröten, und keiner der bunten Korallengärten gleicht dem nächsten.
Als ich meinen Kopf vor Samal Island unter Wasser tauche, leuchten mir ein Dutzend großer Riesenmuscheln entgegen. Über einen Meter lang, erstrahlt ihr leicht geöffnetes Inneres türkis, lila oder manchmal gelb. Vor Samal wird die gefährdete Muschel geschützt, und Touristen können sich an ihrer Schönheit erfreuen. So sitze ich also kurze Zeit später mit feuchten und salzigen Haaren im Pearl Farm Beach Resort auf Samal Island und kann mein Glück gar nicht fassen.
Symbiose aus Grün und Blau
Ich bin im Paradies gelandet. Wunderschön recken die hölzernen Bungalows ihre Veranda aus dem dichten Grün über das Wasser, Palmen wanken im Wind. Im Restaurant am Strand wird köstliches Kinilaw serviert. Die philippinische Variante der Ceviche aus frischem Thunfisch, Makrele und Schwertfisch ist gut mit Chili, Zwiebeln und Essig mariniert und zergeht im Mund. Vor mir glitzert ein Infinity-Pool. Das Pearl Farm Beach Resort kann sich mehr als sehen lassen – wer einen der begehrten Übernachtungsspots bekommt, bleibt am besten ein paar Tage. Doch ich habe noch Pläne für meine weiteren Tage. Schließlich möchte ich ja auch noch in die Berge. Und praktischerweise sind auch diese unmittelbar von Davao aus erreichbar.
Ab in die Berge
Der Van holpert am späten Nachmittag über Schlaglöcher in Richtung Mount Apo. Doch dann biegt er am Fuße des in Wolken gehüllten Berges nach rechts. Einfache Holzhütten reihen sich entlang der Straße, Kinder spielen auf dem Asphalt, auf einem Basketball-Feld steigt gerade eine spannende Partie der Männer-Dorfmannschaften.
Dann kommt eine Weile wieder nichts, nur Palmen, so weit das Auge reicht. Die Kokospalme, auf Philippinisch »buko«, wird hier auch der Baum des Lebens genannt: Sein Stamm liefert Holz für Häuser und Boote, die Blätter decken Dächer, und ihre Nüsse spenden Trank und Speis. Selbst die leeren Kokosnuss-Schalen werden noch zu Kohle weiterverarbeitet. Der Anblick der abertausenden Palmen über weite Hügel gleicht einem Tropentraum der Superlative.
Das Erbe der Spanier
Im nächsten kleinen Dorf ragt eine Moschee hinter den Hütten hervor. Ein ungewöhnlicher Anblick für die Philippinen. Denn 300 Jahre spanische Kolonialzeit haben ihre Spuren hinterlassen, Papst Franziskus wird hier als Popstar gefeiert. Aber das ist der zweite Grund, warum die geheime Schönheit – Davao – international völlig unbekannt geblieben ist. Die Stadt ist nämlich die Hauptstadt von Mindanao, und über Mindanao spricht man nicht gerne international. Denn dann müsste man zwangsläufig auch über die Abu Sayyaf sprechen. Also auch über Terror und Krieg.
Denn: Auf der Insel Mindanao herrscht seit Jahrhunderten ein Disput, der als Moro-Konflikt bekannt ist. Während die Spanier bereits im 16. Jahrhundert die meisten Inseln der Philippinen unter ihrer Kontrolle hatten, besiedelten von Malaysia kommende Muslime den südlichen Teil. Unter anderem auf der Hauptinsel Mindanao und dem Sulu-Archipel und den Tawi-Tawi-Inseln wurden Sultanate errichtet, die sich blutig den Übernahmeversuchen der europäischen Katholiken widersetzten.
Dennoch erklärte man diesen Teil später zu den Philippinen, systematisch wurden Christen in die Regionen versetzt, um so die Sultanate zu zersplittern. Seit jeher kämpft die muslimische Minderheit mit der Moro Islamic Liberation Front, kurz als MILF bekannt (übrigens lange bevor das Kürzel seine heutige Bedeutung erlangte!), auf Mindanao für einen unabhängigen Staat – den sie 2014 unter Präsident Aquino durch einen Friedensvertrag und einer autonomen Region namens »Bangsamoro« im Südosten der Insel erlangte. Auch Duterte sicherte ihnen teilweise Autonomie zu. Doch noch immer nutzen Terrorgruppen, allen voran die Abu Sayyaf, den Konflikt für ihre eigenen Zwecke. Deswegen wird von Reisen in den Südosten von Mindanao, besonders auf das Sulu-Archipel, weiter abgeraten.
Der ewige Konflikt
Auch wenn diese Region weit weg von Davao ist und hier die wenigen Moros (wie die Muslime auf den Philippinen genannt werden) friedlich mit den Christen zusammenleben – die jahrelangen Kämpfe haben der Reputation der gesamten Provinz, Davao eingeschlossen, massiv geschadet. Und so sehe ich, während meiner Zeit rund um die Stadt, kaum andere internationale Touristen. Dabei ist Davao für Touristen ähnlich sicher wie der Rest der Philippinen. Manche Stimmen behaupten sogar, es sei dank Dutertes früherer Bürgermeisterschaft sicherer – auch wenn man leider auf den Philippinen nie weiß, ob die Aussage eine Marketingmasche des Präsidenten ist.
In jedem Fall ist es hier wunderschön, authentisch und noch absolut vom Massentourimus verschont, anders als in El Nido, Bohol oder Boracay. Ein paar Abstriche im Komfort sind da schnell vergessen. Bei den Filipinos hat sich die Stadt bereits seit einer Weile als beliebter Urlaubsort etabliert. Besonders Outdoor-Fans und Wildlife-Fotografen schätzen die einzigartige Flora und Fauna im Hinterland von Davao. Eine Spezies kann da nicht unerwähnt bleiben: der Philippinenadler.
Ein Vogel stirbt aus
Schon lange gilt er als Symbol des Artensterbens – denn heute gibt es nur noch wenige Hundert der wunderschönen, gigantischen Vögel. Ihr Lebensraum in den dichten tropischen Wäldern auf Mindanao wird durch Abholzung und Bejagung stark begrenzt. Einmal eines dieser wildlebenden Tiere vor die Linse zu bekommen, bleibt ein lang gehegter Traum vieler, nicht nur auf den Philippinen. Doch für das monatelange Ausharren in Baumhäusern, im Regenwald – wie es beispielsweise der Filmemacher Neil Rettig für den berührenden Film »Bird of Prey« tat –, um einen der scheuen Vögel zu Gesicht zu bekommen, habe ich nicht die Zeit.
Deswegen ist mein Ziel für heute das Malagos Garden Resort. Hier gibt es nicht nur die beste Schokolade der Philippinen, Rafting, Wandern und ein echtes Dschungelgefühl – im nahe gelegenen Philippine Eagle Center kann man den seltensten Adler der Welt bestaunen. Denn hier werden kranke oder angeschossene Vögel aufgepäppelt und warten auf ihre hoffentlich baldige Wiederauswilderung. Morgen früh möchte ich gleich los – ich bin fast ein wenig aufgeregt, denn dieser Vogel bleibt einfach eine Faszination für mich. Die Sonne ist schon hinter den Palmenkronen verschwunden, als ich vor dem Malagos Garden Resort aus dem Van hopse. Trotz nur kurzer Fahrt ist die Luft hier kühler und weitaus feuchter, als stünde der allabendliche Regen kurz bevor. Mir steigt ein altbekannter Duft in die Nase – auf der anderen Straßenseite erhasche ich den Durian-Verkaufsstand. Vielleicht kann ich mich ja sogar an diesen Geruch gewöhnen.
Infos für eine Reise nach Davao
Anreise. Seit diesem Jahr fliegt Qatar Airways Davao City einmal wöchentlich direkt von Doha an – und verbindet damit die Großstadt international gen Westen. Man kann unkompliziert einen Zwischenstopp in Katar einlegen.
Nützliche Infos rund um die Philippinen und die Region Davao liefert das Department of Tourism.
Übernachtung. Das Pearl Farm Beach Resort auf Samal Island bietet unterschiedliche Zimmerkategorien, auch Overwater-Villas. Ab 225 Euro, hier findet ihr mehr Infos. Unsere Reise-Tipps für die Philippinen findest du hier.