Endlich ist die weltweite Reisewarnung vom Tisch: Ab dem 15. Juni 2020 können wir wieder in den meisten Ländern Europas unseren Urlaub verbringen. Aber ein paar Schönheitsfehler bleiben.

Es ist noch gar nicht so lange her, da sah unsere Urlaubswelt ganz anders aus: Als Bundesaußenminister Heiko Maas am 17. März bekanntgab, dass die Bundesregierung wegen der Corona-Pandemie eine weltweite Reisewarnung aussprechen werde, drohten für Millionen von Deutschen alle Sommerurlaubsträume wie eine Seifenblase zu zerplatzen.

Patrick Robert Doyle

Die Wanderung durch die Südtiroler Berge, der Strandurlaub in Cala Ratjada auf Mallorca oder der Städtetrip zum Kolosseum nach Rom – all das schien vor zwei Monaten noch so unfassbar weit weg. Viele hatten sich noch im April damit abgefunden, dass in diesem Jahr allenfalls eine Reise in ein abgeschirmtes Ferienhaus in Mecklenburg-Vorpommern drin sein würde. Rügen statt Rimini quasi.

Doch jetzt ist alles anders: Der Sommerurlaub in (fast ganz) Europa kann kommen. Ab dem 15. Juni gibt die Bundesregierung den Startschuss für den Sommerurlaub in Europa. In 29 Ländern Europas sollen wir mit dem Segen von Heiko Maas wieder durchstarten können.

Bundesaußenminister Heiko Maas, SPD

Alexandros Michailidis/Shutterstock.com

Die weltweite Reisewarnung wird dann Geschichte sein. Fast alle bekannten Urlaubsländer in Europa sind dabei, mit Ausnahme von Spanien und Norwegen, die sollen etwas später folgen. Eine Sonderrolle hat Großbritannien inne. Die Reisewarnung für das Land fällt zwar weg, bleibt aber faktisch bestehen, denn wer will schon nach Ankunft erst einmal zwei Wochen in Quarantäne gehen?

Weltweite Reisewarnung vorbei, aber dieser Sommerurlaub wird anders aussehen

Ist jetzt also wieder alles in Butter beim Sommerurlaub im Rest Europas? Glaubt man den Verlautbarungen aus Ländern wie Italien, Spanien, Frankreich, Österreich – Länder, die gewaltig vom Tourismus abhängen – wird alles wieder gut werden. Überall werden ausgeklügelte Hygienekonzepte und Abstandsregelungen angepriesen: Desinfektionsmittel hier, bitte Abstand halten dort. Und die lästige Mund-Nasen-Maske, die soll man sich im Urlaubsort nur dann anziehen, wenn es gar nicht mehr anders geht.

Aber eben auch im Flugzeug. So sollen in den Flughafengebäuden, wo immer dies möglich ist, die gängigen Mindestabstände eingehalten werden. Da dies nicht überall uneingeschränkt möglich ist, wie zum Beispiel bei den Sicherheitskontrollen, gilt in Deutschlands Flughafengebäuden zudem eine generelle Maskenpflicht.  Zusätzliche Sicherheit wollen die Fluggesellschaften durch eine Maskenpflicht an Bord sowie durch eine »Anpassung des Bordservices« schaffen.

Gut, ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist das schon, wenn man bedenkt, dass man doch nur die schönsten Wochen des Jahres irgendwo ganz entspannt verbringen möchte und nicht ständig an Masken und Abstand erinnert werden will.

Eingang mit Hygiene-Hinweisen und Seifenspender

Kseniia Ilinykh

Aber das Narrativ, das die Urlaubsländer in Einklang mit Airlines und Reiseveranstaltern unters Urlaubsvolk bringen, ist klar: Mit und bei uns können Sie ganz unbeschwert ihren Urlaub verbringen.

»Das ist ein richtiger und ganz wichtiger Schritt für die Reisenden«, jubelte Norbert Fiebig, der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV).

Für die Reiseveranstalter und Reisebüros ist die Aufhebung der weltweiten Reisewarnung sehr wichtig, denn solange die weltweite Reisewarnung galt, konnten sie de facto keine Urlaubsreisen anbieten oder durchführen.

Lufthansa und Tui fly starten durch

Nun sind die Airlines und Reiseveranstalter am Zug. Sie müssen in den nächsten Tagen zügig Flüge und Hotelpakete anbieten. Das aber scheint ziemlich geräuschlos zu passieren. Die Lufthansa legt diese Woche bereits vor und wird bis zur zweiten Juni-Hälfte wieder zahlreiche Auslandsurlaubsorte anfliegen. Schon gestern hat die Kranich-Airline ihren Flugverkehr von München in die USA wiederaufgenommen. Erstmals seit dem 13. März 2020 ging es wieder nonstop nach Los Angeles.

Hollywood-Schriftzug aus Flugzeug fotografiert

Neil Soni

Für viele Deutsche eher ein symbolischer Akt, denn Touristen aus der EU dürfen ja immer noch nicht in die USA.

Ab September sollen gar wieder 90 Prozent aller ursprünglich geplanten Kurz- und Mittelstreckenziele und 70 Prozent der Langstreckendestinationen von der Lufthansa wieder angeflogen werden, ließ die Airline heute wissen. Tochter Eurowings stockt ihr Flugprogramm ebenfalls signifikant auf und will im Laufe des Sommers wieder 80 Prozent ihrer Reiseziele anfliegen.

Auch beim Konkurrenten TUI tut sich was. Nach dreimonatiger Pause stehen am 17. Juni die ersten Flüge von TUI nach Faro von Düsseldorf und Frankfurt im Flugplan. Zeitgleich wird auch der Robinson Club Quinta da Ria an der Algarve wieder eröffnen. Die Wiederaufnahme des Flugbetriebs im Juni konzentriert sich auf die Flughäfen Düsseldorf, Frankfurt, Hannover und Stuttgart. Ab Juli werden dann München, Hamburg, Köln-Bonn, Basel, Paderborn und Nürnberg folgen, teilte TUI gestern mit.

»Reisen wird in diesem Sommer ein wenig anders sein als in den Vorjahren, aber nicht weniger schön. Insgesamt wird es 2020 ein ruhigerer Urlaub, ohne große Poolpartys oder Fußballturniere, dafür aber mit günstigeren Preisen, hohem Erholungsfaktor und großzügig separierten Sonnenliegen«, sagte Marek Andryszak, Vorsitzender der Geschäftsführung von TUI Deutschland.

Luftaufnahme mit Drohne auf Strand mit wenigen Besuchern

Alex Perez

Maas: »Reisehinweise sind keine Reiseeinladung«

Aber ganz so optimistisch wie die Reisebranche ist Heiko Maas nicht. Das machte er gestern wieder deutlich. Klar, dass man jetzt wieder in so viele Länder Europas reisen könne, sei der Tatsache geschuldet, dass sich in vielen Ländern Europas die Covid-19-Infektionszahlen positiv entwickelt haben, so Mass. Er sagte aber auch:

»Reisewarnungen sind keine Reiseverbote, und Reisehinweise sind keine Reiseeinladung«.

Damit will Maas nicht nur semantisch ausdrücken: Nun ja, mit Blick auf die individuelle Risikoabwägung hat sich nun nicht so wahnsinnig viel geändert. Man schenkt den Bürgern wieder ein Stück Reisefreiheit, aber eben auch ein Stück Verantwortung.

Denn die Gefahr ist ja nun nicht aus der Welt. Das Risiko einer Auslandsreise in Covid-19-Zeiten muss jeder für sich selbst abwägen. Es sind ja immer noch einige Fallstricke, die da lauern: Was ist, wenn im Urlaubsland die Coronazahlen wieder steigen und es plötzlich wieder zu Ausgangsbeschränkungen kommt? Und wie steht es dann um die ärztliche Versorgung im Urlaubsland? Komme ich schnell nach Hause oder muss ich wieder Angst haben, dass die Airlines massenweise Flüge canceln?

Anzeige im Flughafen: Flüge gestrichen

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Das Auswärtige Amt wird bald aktualisierte Reisehinweise für die Länder veröffentlichen. Man darf davon ausgehen, dass die Reisehinweise einen Fokus auf die Covid-19-Situation in dem jeweiligen Land haben werden. Die sollten Urlauber gerade in diesem Sommer genau studieren. Vor allem die, die sich ohne Reiseveranstalter in den Urlaub begeben wollen und dann im Fall der Fälle auf sich selbst gestellt sind.

Nicht alle jubeln über das Ende der weltweiten Reisewarnung

Deutliche Kritik an dem heutigen Kabinettsbeschluss, die Grenzen ab Mitte Juni wieder zu öffnen, ist denn auch zu hören. »Das ist ein verfrühter Schritt. Durch die Grenzöffnungen und den Tourismus entsteht wieder ein neues Risiko, dass Menschen aus anderen Ländern das Virus einschleusen. Die Grenzöffnungen bleiben riskant«, sagte Frank Ulrich Montgomery, der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). »Es wäre deutlich klüger gewesen, die Grenzen zuzulassen«, sagte er. Zwar erscheine es auf den ersten Blick unbedenklich, aus Deutschland in ein Land mit wenigen Infektionen zu reisen, etwa nach Portugal.

»Aber wenn dort in der benachbarten Strandburg eine Familie aus England oder Spanien urlaubt, die Kinder gemeinsam spielen, man sich abends im Restaurant bei einer Flasche Wein begegnet, kann es rasch zu Ansteckungen kommen«, warnt Montgomery.

Zwei kleine Jungen mit Sonnenschirm am Strand

Vidar Nordli Mathisen

Warten auf den Sommerurlaub in der Türkei

Ein großes Fragezeichen steht noch hinter beliebten Urlaubsländern außerhalb der EU, vor allem hinter den Drei-Stunden-Flugzeit-Zielen Ägypten, Tunesien, Marokko und die Türkei. Gerade die Türken wollen schon bald wieder Urlauber aus Deutschland willkommen heißen. Turkish Airlines legte schon mal vor. Die Fluggesellschaft will ab dem 18. Juni wieder einige deutsche Ziele anfliegen. Doch das für Türkei-Liebhaber verlockende Angebot hat für deutsche Staatsbürger einen Haken, denn die Türkei ist eben nicht in der Liste jener Länder, für die die weltweite Reisewarnung am 15. Juni aufgehoben wird. Kann man sich also den Sommerurlaub in der Türkei in diesem Jahr abschminken? Wer bald buchen will, muss sich noch ein wenig gedulden. Hilfe jedenfalls könnte aus Brüssel kommen: Nächste oder übernächste Woche könnte die EU ihre Reisewarnung gegenüber dem Land aufheben – und dann könnte es doch noch etwas werden mit dem Sommerurlaub in der Türkei.

Glocke und Türkei-Flagge auf Boot

Meric Dagli

Große Fragezeichen hinter Fernreisezielen

Wer dagegen noch weiter in die Ferne reisen möchte, nach Thailand, Südafrika, die USA, Kanada, Australien oder Neuseeland braucht dagegen einen längeren Atem. Auch wenn die Lufthansa und viele andere Airlines wieder Tag für Tag mehr Langstreckenziele im Programm haben, so wird es wohl noch eine Weile dauern, bis beliebte Urlaubsländer wieder Touristen willkommen heißen – und die Bundesregierung damit keine Probleme mehr hat. Denn wenn die Bundesregierung damit welche hat, man trotzdem in den Flieger steigt und anschließend irgendwo auf der Welt strandet, dann wird es keine zweite Rückholaktion des Auswärtigen Amtes mehr geben. Das hat Heiko Maas nun oft genug gesagt.