Anlässlich des Coming Out Days 2021 hatte sich das Online-Magazin LUST Mag über die LGBT-Szenen der Metropolen der Welt gebeugt und eine Top-25-Liste der »sexuell freizügigsten« Städte erstellt. 2023 erfolgte das Update. Wir stellen die aktuellen Top 10 vor.

San Francisco? New York? Amsterdam? London? Wer Reiseexperten der Lesben- oder Schwulenszene fragt, welche Metropole die homofreundlichste der Welt ist, bekommt selten eine eindeutige Antwort. Schnell gerät man als Antwortender in den Verdacht, nach all zu subjektiven »Kriterien« zu urteilen. Sicher: Paris ist für LGBT-Reisende aufregender als Lyon, New York entzückt mehr LGBT-Traveller als das benachbarte Boston und dass die Szene in Sydney mehr zu bieten hat als die in Canberra, versteht sich von selbst. So weit, so gut der Städtevergleich innerhalb der Landesgrenzen. Aber international?

Die »Sexperten« des Online-Portals LUST Mag haben sich dennoch an die Herkulesaufgabe gewagt und die LBGT-Szenen weltweit unter die Lupe genommen. Gar nicht so einfach. Denn nach welchen Kriterien will man so eine Liste erstellen? Wie viele Schwulen- und Lesbenbars es gibt? Wie viele LGBT-Events jährlich angeboten werden? Wie groß der Zulauf der Bevölkerung zum CSD ist? Wie unbehelligt man als Männerpaar händchenhaltend durch die Stadt laufen kann?

Klar im Vorteil sind jene Städte, die in Ländern liegen, die eine liberale Tradition im Umgang mit Lesben und Schwulen pflegen. Dänemark, Schweden, Norwegen, die Niederlande, Kanada und die USA wären da zu nennen. Aber auch die Städte der Länder, die in den letzten Jahrzehnten mächtig aufgeholt machen. Spanien, Portugal, Malta, aber auch Deutschland fallen einem dazu ein.

Keine Chance für Städte wie Belgrad, Budapest oder Kairo

Städte in Staaten dagegen, in denen Schwule und Lesben massiv diskriminiert werden, haben von vornherein keine Chance. Sie finden sich fast ausschließlich in Afrika und Asien. Kairo in Ägypten etwa oder Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Von Horrornachrichten aus Kampala in Uganda oder Kabul in Afghanistan gar nicht zu sprechen.

Aber auch in europäischen Metropolen wie Moskau, Belgrad oder Budapest fristet die LGBT-Szene eher ein Schattendasein.

Das deckt sich auch mit der (Un-) Lust der queeren Community, in solche Länder zu reisen. Bei einer Umfrage des Buchungsportals booking.com im vergangenen Jahr gaben nahezu drei Viertel (74 %) der deutschen LGBT-Reisenden (80 % weltweit) an, dass sie bei der Wahl ihres Reiseziels ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden als queere Person berücksichtigen müssen – ein deutlicher Anstieg gegenüber 60 % (64 % weltweit) im Jahr 2022.

LGBT-Demonstranten mit dem Slogan "Love is a human right"

Ian Taylor

Wie lebendig sind die LGBT-freizügigsten Städte der Welt?

Und so heißt es denn auch in Erklärung zum Ranking:

»Es wurden Faktoren ausgewählt, welche Rückschlüsse über die gesellschaftliche oder rechtliche Akzeptanz von Sexualität erlauben.«

Um eine Rangliste der 25 Städte, die sexuell am freizügigsten sind, zu erstellen, wurde als Richtwert zunächst festgestellt, wie viele LGBT-Events gefeiert werden; auch die Zahl der Gay-Bars und Sexshops floss in die Bewertung ein – ebenso wie Faktoren wie »rechtliche Gleichstellung«, »gleichgeschlechtliche Ehe«, »sexuelle Diskriminierung«, »Sexarbeit« und andere. Eine Menge Faktoren also, die eher von nationaler denn von kommunaler Ebene abhängen. Am Ende, man ahnt es schon, bleibt doch viel an der Frage hängen, wie lebendig die LGBT-Szene einer Stadt ist. Sprich: Wie viele Ausgehmöglichkeiten (Bars, Clubs) und Orte für sexuelle Abenteuer (Sexshops, Saunen) gibt es, wie viele LGBT-Events werden geboten?

Hand hält ein Regenbogen-Flagge vor Lametta-Vorhang

The Creative Exchange

Um die Rangliste zu berechnen, wurden alle Ergebnisse der untersuchten Einflussfaktoren auf einer Punkteskala von 0 bis 100 standardisiert. Die Stadt, welche im jeweiligen Einflussfaktor am besten abschnitt, erhielt die Punktzahl 100. Die Stadt, welche im jeweiligen Einflussfaktor am schlechtesten abschnitt, erhielt die Punktzahl 0. Alle anderen Städte ordneten sich entsprechend ihres Ergebnisses dazwischen ein und erhielten ebenfalls eine Punktzahl zwischen 0 und 100.

Und das sind die Top 10 der LGBT-freizügigsten Städte der Welt:

Platz 10: Vancouver, Kanada

Wie gepunktet? Fünf Gay-Bars und 23 Sexshops sowie fünf regelmäßig stattfindende LGBT-Events kann die größte Stadt der kanadischen Provinz British Columbia aufweisen.

Was bietet die Szene? Vancouver ist zweifelsohne das Epizentrum der LGBT-Szene tief im Westen Kanadas. Höhepunkt der LGBT-Feierlichkeiten ist jedes Jahr das im Sommer stattfindende Vancouver Pride Parade and Festival. 2024 startet es am 26. Juli und endet am 4. August. Die Schwulenszene der Stadt konzentriert sich auf das Davie Village. Es befindet sich im West End der Stadt.

Gay Party People

ClaudioDoenitz/Shutterstock.com

Platz 9: Montreal, Kanada

Wie gepunktet? Nur sage und schreibe sechs Gay-Bars haben die »Sexperten« von LUST Mag in der Stadt gefunden, dafür aber um so mehr Sexshops (53).

Was bietet die Szene? Kanada-Liebhaber, die schon in einigen LGBT-Szenen des Landes unterwegs waren, wissen: Nirgends ist es so verrucht wie in Montreals Szene. Nirgendwo anders in Kanada etwa gibt es so viele Stripper-Bars wie auf der Rue Ste Catherine – einer Meile, in der sich eine LGBT-freundliche Location an die anderen reiht. Im ganzen Land bekannt ist auch das mehrtägige Black & Blue-Elektro-Dance-Festival und das Montréal Pride Festival. Es gilt gemeinsam mit dem Pendant in Toronto als größtes LGBT-Event des Landes.

Regenbogen-Kanada-Flagge

Shawn Goldberg/Shutterstock.com

Platz 8: San Francisco, USA

Wie gepunktet? Sage und schreibe 35 Gay-Bars – und damit die zweitmeisten im Ranking – sowie immerhin 29 Sex-Shops hat die Stadt im Angebot.

Fußgänger im Castro-Viertel in San Francisco

Max Templeton

Was bietet die Szene? Wohl kaum eine andere Stadt auf der Welt wird von Lesben und Schwulen so sehr bewundert wie San Francisco. Nicht ohne Grund. Die Stadt war und ist bis heute Mekka der Künstler, der Hippies, der Intellektuellen und – neben New York – Geburtsstadt der US-amerikanischen Lesben- und Schwulenbewegung. Das lässt sich unter anderem im einzigartigen GLBT History Museum begutachten. Keinesfalls fehlen darf ein Besuch im legendären Castro-Viertel. Zwischen Castro, Folsom und Market Street haben sich Dutzende Szene-Restaurants, -Shops, -Bars und -Clubs niedergelassen. Das Fetisch-Event Folsom Street ist darüber hinaus international in der Szene recht bekannt. Seit einigen Jahren gibt es davon auch ein Pendant in Berlin.

Platz 7: Wien, Österreich

Wie gepunktet? Immerhin sieben Bars für die LGBT-Szene stehen zum Ausgehen bereit, und wer auf der Suche nach einem Erotikabenteuer ist, findet gar 18 Sexshops.

LGBT-Personen auf Parkbank in Wien

WienTourismus/Paul Bauer

Was bietet die Szene? Das Epizentrum der Szene liegt entlang der Linken und Rechten Wienzeile. Dort befinden sich die meisten LGBT-Bars. Ein Muss für jeden Wienbesucher ist ein Abstecher in die Kult-Disco Why Not.

Im Jahreskalender der LGBT-Szene stechen Vienna Fetish Spring, der Diversity Ball im Wiener Rathaus, der Regenbogenball und natürlich die Vienna Pride hervor. Die große CSD-Sause dauert zwei Wochen endet mit einer großen Regenbogenparade. 2024 ist Wien darüber hinaus Gastgeber der Eurogames.

Tipp: Großartig sind die Informationen, die WienTourismus, der offizielle Tourismusverband der Stadt, auf seiner Website für LGBT-Besucher bereithält.

Platz 6: Santiago de Chile, Chile

Wie gepunktet? Die einzige Stadt Südamerikas in den Top 10 überzeugte mit sieben Gay-Bars und 31 Sex-Shops. Der Rankingplatz dürfte überraschen, schließlich wirbt Brasiliens Mega-Metropole São Paulo mit dem größten CSD der Welt und einer vibrierenden Schwulenszene einschließlich vieler Sex-Shops und Saunen. Dass weder eine brasilianische Metropole noch Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires auf dem südamerikanischen Siegertreppchen stehen, begründet die Jury so: »Jedes Jahr finden in der Stadt fünf wiederkehrende LGBT-Veranstaltungen statt, und auch einige Schwulenbars existieren ohne nennenswerte Einschränkungen. Für ein Land, das Homosexualität erst 1999 entkriminalisiert hat und Scheidungen erst seit 2004 zulässt, ist dies eine bemerkenswerte Errungenschaft und könnte ein Modell für andere Länder sein, deren sexuelle Freiheiten nach wie vor stärker eingeschränkt sind.«

Junger Mann mit Regenbogenfahne in der Hand

Cristian fotografias/Shutterstock.com

Was bietet die Szene? Im Viertel Barrio Bellavista sind die meisten Gay-Bars und Nachtklubs der Stadt zu finden. Einmal im Jahr feiert die Stadt die Santiago Pride Parade, in Chile als »Marcha del Orgullo« genannt.

Platz 5: Berlin, Deutschland

Wie gepunktet? 31 Gay-Bars und 44 Sexshops gibt’s in der deutschen Hauptstadt.

CSD-Parade in Berlin

visitBerlin, Foto: Pedro Becerra/STAGEVIEW.de

Was bietet die Szene? Berlin genießt international den Ruf, besonders viele Erotik- und Fetischpartys im Angebot zu haben. Viele Bars und Clubs findet man rund um die Motzstraße in Schöneberg. Weitere Hotspots finden sich in Kreuzberg, Mitte und Prenzlauer Berg. Auch in dem weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Club Berghain gehen viele LGBTs, um die Nacht zum Tag zu machen. In Sachen Events punktet Berlin vor allem mit dem CSD, dem Fetischevent Folsom Street, dem Queer Film Award Teddy und dem Lesbisch-schwulen Stadtfest.

Platz 4: Madrid, Spanien

Wie gepunktet? 22 Gay-Bars und 35 Sexhops laden zum Feiern und zu Vergnügungen ein.

Was bietet die Szene? Dreh- und Angelpunkt der Madrider Szene ist nach wie vor – und das schon seit Jahren – die Gegend rund um die Metrostation Chueca. Dort befinden sich viele Cafés, Restaurants, Bars und Clubs. Zu den Highlights im LGBT-Jahreskalender Madrids gehören unter anderem der Madrid Gay Pride, das Filmfestival LesGaiCineMad und das sogenannte Bären-Treffen Mad.Bear.

Eingang Metro-Station Chueca in Madrid

Yana Demenko/Shutterstock.com

Platz 3: Amsterdam, Niederlande

Wie gepunktet? Immerhin 14 Gay-Bars (davon außergewöhnlich viele für Fetischfreunde) und 23 Sexshops gibt’s in der Hauptstadt der Niederlande.

Regenbogen-Fahne mit der Aufschrift "I love you this much", das ein Haus in Amsterdam ziert

Robin Oooode

Was bietet die Szene? Egal ob zum Königstag (Koningsdag) Ende April oder zur großen CSD-Sause auf den Booten in den Grachten im August: Die Szene der Stadt präsentiert sich bei den einschlägigen Events ziemlich groß und präsent. In der Stadt gibt es mehrere Szene-Ausgehviertel. Schön für Touristen: Sie sind alle nicht weit voneinander entfernt und bequem zu Fuß erreichbar. Mit Abstand am populärsten ist die Straße mit dem für Deutsche so wunderbar »leicht« auszusprechenden Namen Reguliersdwarsstraat.

Platz 2, West Hollywood, USA

Wie gepunktet? Nur ein paar Hundert Kilometer weiter südlich hat sich West Hollywood, ein Stadtteil von Los Angeles, Platz 2 ergattert. 32 Gay-Bars und 28 Sexshops sind hier beheimatet.

Schwulenpaar in Los Angeles

Rawpixel.com/Shutterstock.com

Was bietet die Szene? West Hollywood ist das unumstrittene Epizentrum der Szene der Stadt. Nahezu 50 Prozent der Bewohner der eigenständigen City bezeichnen sich als lesbisch oder schwul. In WeHo, wie die Einheimischen West Hollywood bezeichnen, locken Clubs auf dem Sunset Strip, Designer-Boutiquen auf dem Robertson Boulevard, Restaurants auf der Melrose Avenue und jede Menge Schwulenbars auf dem Santa Monica Boulevard. Erotikabenteuer-Suchenden stehen einschlägige Saunen und Motto-Partys zur Auswahl. Darüber hinaus punktet Los Angeles mit einigen Stränden, wo sich fast ausschließlich Schwule aufhalten. Am bekanntesten ist der Will Rogers Beach in Santa Monica.

Platz 1: Köln, Deutschland

Wie gepunktet? Die Domstadt hat 18 Gay-Bars und 15 Sexshops im Angebot. Nicht besonders viel. Dafür ist Köln laut Ranking Spitzenreiter bei den Events: 23 Stück gibt es – so viele wie sonst nur in New York (Platz 11 im Ranking, daher in diesem Artikel nicht aufgelistet). Den überraschend ersten Platz begründet die Jury so:
»Auch wenn es manchmal den Anschein hat, dass Köln nach Berlin (…) die zweite Geige spielt, kann jeder, der die Stadt besucht hat, nicht anders, als ihrem Charme zu verfallen, denn viele internationale Künstler und Berühmtheiten haben Köln zu ihrem Zuhause gemacht. Die Stadt am Rhein ist ein wahres Vorbild an Liberalität und Offenheit, vor allem in sexueller Hinsicht (…).«

Was bietet die Szene? Das Gros der Szenebars finden Besucher am Rudolfplatz in der Innenstadt. Genauer gesagt in der Schaafenstraße, wo sich das sogenannte Bermudadreieck befindet. Ein weiterer Hotspot der LGBT-Szene Kölns befindet sich in der Altstadt, unweit des Heumarkts. Highlight im LGBT-Eventkalender der Domstadt ist der Cologne Pride, der traditionell an einem Juli-Wochenende gefeiert wird. Die Parade am CSD-Sonntag gilt als größte Deutschlands. Darüber hinaus lockt Köln viele LGBTs in der Karnevalszeit an.

Person hält Regenbogen-Flagge in die Luft

Yannis Papanastasopoulos